Zwillingsbrut
ihm fühlte sie sich sicherer im Haus. Sie hatte sein Hundebett in ihrem Schlafzimmer aufgestellt und sich während der Nacht von seinem leisen Schnarchen getröstet gefühlt.
»Eine gute Entscheidung«, sagte sie sich, als sie an einem Coffee-Drive-in am Stadtrand anhielt, bevor sie ins Büro weiterfuhr.
Das ganze Wochenende über hatte sie an Trace O’Halleran und seinen Sohn denken müssen, hatte sich sogar mehr als einmal bei Tagträumereien von dem höllisch sexy Rancher ertappt. Es war angenehm gewesen, sich letzten Freitag mit ihm zu unterhalten, und sie hatte sich Mühe geben müssen, ihre Gedanken in andere Richtungen zu lenken. Also hatte sie sich um den Haushalt gekümmert, mit Bonzi gespielt und so viel wie möglich über Shelly Bonaventure, Jocelyn Wallis und nicht zuletzt Elle Alexander herausgefunden.
Elle hatte behauptet, in Boise geboren und aufgewachsen zu sein. Kacey hatte das überprüft. Im Geburtenregister von Helena, Montana, hatte sie keinen passenden Eintrag gefunden, deshalb musste sie davon ausgehen, dass Elle die Wahrheit gesagt hatte und Kaceys Misstrauen unbegründet war.
Zwei Frauen, die ihr ähnlich sahen und hier in der Gegend geboren waren, waren ums Leben gekommen. Das war alles. Was hatte sie erwartet? Dass sie in irgendeiner Beziehung zueinander stünden? Unwahrscheinlich, und selbst wenn, was wäre so ungewöhnlich daran? Sie könnte jede Menge entfernte Verwandte in dieser Gegend haben.
Zehn Minuten später – der Himmel im Osten wurde langsam heller – bog sie mit ihrem Latte macchiato auf den Parkplatz der Poliklinik ein, stellte den Ford Edge ab und ermahnte sich, nicht länger nach irgendwelchen Verbindungen zu suchen.
Mit einer Hand den dampfenden Pappbecher balancierend, in der anderen ihren Laptop, kämpfte sie wie jeden Tag mit den Wagenschlüsseln, dann betrat sie das Klinikgebäude, heute durch den Hintereingang. Ihre erste Patientin sollte erst um acht Uhr eintreffen, so dass ihr noch Zeit blieb, ihre E-Mails zu lesen und sich auf den Tag vorzubereiten.
Heather bemerkte ihre Ankunft, als sie gerade die Tür zu ihrem Büro öffnete, schoss hinter der Rezeption hervor und sprintete den Flur entlang. »Hast du schon gehört?«, fragte sie mit weit aufgerissenen Augen.
»Was denn?«
»Dass eine unserer Patientinnen am Wochenende verstorben ist!«
»O Gott, bitte nicht.« Kaceys Herz setzte einen Schlag aus.
»Ich selber bin ihr nie begegnet, weil sie am Samstag hier in der Praxis war. Ich wollte mich gerade wegen ihres Termins mit dem Labor absprechen.«
Kacey erstarrte. »Wer?«, fragte sie, doch sie kannte die Antwort bereits.
»Elle Alexander. Erinnerst du dich an sie?«, fragte sie, sichtlich erschüttert.
Kacey fühlte sich, als hätte sie eins mit der Schrotflinte verpasst bekommen. Elle? Die Frau hatte so lebensfroh gewirkt! Verheiratet, eine Mutter, die sich trotz ihres schlimmen Hustens mehr Sorgen um ihre Kinder als um ihre eigene Gesundheit machte. »Was ist passiert?«
»Sie ist von der Straße abgekommen, kurz vor der North Fork Bridge, und im Fluss gelandet. War auf dem Weg nach Hause von Spokane, wo sie Weihnachtseinkäufe gemacht hatte, hieß es in den Nachrichten. Ich hab heute Morgen eine Reportage gesehen, während ich auf meinem Stepper trainiert habe!« Heather schauderte theatralisch. »Kannst du dir das vorstellen?«
»Nein«, gab Kacey zu. »Hatte sie die Kinder bei sich?«
»Soweit ich weiß, nicht. In der Zeitung steht was darüber. Ich hab dir den Artikel auf den Schreibtisch gelegt.«
»Danke.« Aufgewühlt betrat Kacey ihr Büro und ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen. Sie las den Artikel einmal, dann ein zweites Mal, und die ganze Zeit über sah sie Elles ausdrucksstarkes Gesicht mit dem breiten Lächeln vor sich.
Als Ärztin gehörte der Tod zu ihrem Alltag. Ein Mensch kam auf die Welt, führte sein Leben und starb. Das war der Kreislauf des Lebens, das wusste und akzeptierte sie, obwohl sie sich nie daran gewöhnt hatte. Diese Frau war so jung gewesen, hatte in der Blüte ihres Lebens gestanden und hinterließ zwei Kinder … das war einfach nicht richtig.
Und noch etwas anderes machte ihr Sorgen. Ein vages Gefühl, das ihr unter die Haut ging und tiefes Unbehagen in ihr auslöste: Elle sah ihr ähnlich, genauso wie Shelly Bonaventure und Jocelyn Wallis.
Sie dachte an den Abstrich, den sie Elles Hals entnommen hatte, und daran, dass sie deren DNS -Profil erstellen ließ. Sie war froh darüber. Vielleicht
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