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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufgehängt worden waren.
    Er öffnete das Vorhängeschloss und drückte die Tür zu der alten Kühlkammer auf, die sein Ururgroßvater gebaut hatte. Die Tür war fast dreißig Zentimeter dick und voller Sägemehl. Wenn sie geschlossen war, drang aus der Kammer kein Geräusch mehr nach draußen.
    Drinnen schaltete er das Neonlicht ein und zog die Tür hinter sich zu. Sofort war der Raum in ein flackerndes bläuliches Licht getaucht, und es hatte den Anschein, als hätte er von einer Sekunde auf die andere eineinhalb Jahrhunderte übersprungen und wäre in einem völlig anderen Zeitalter gelandet. Oberflächen aus rostfreiem Edelstahl glänzten vor drei Wänden; eine Computerzentrale, komplett mit drahtlosem Modem und Fünfundzwanzig-Zoll-Bildschirm, sowie eine umfassende elektronische Ausrüstung, um seine ganz persönlichen Angelegenheiten unter Verschluss zu halten, nahmen die eine Ecke des Zimmers ein.
    Eine übergroße Karte von Nordamerika war an einer Pinnwand befestigt, die über eine ganze Wand reichte. Es handelte sich um eine politische Landkarte, auf der Bundesgrenzen, Städte und Straßen eingezeichnet waren. Über die ganze Oberfläche waren rote Reißzwecken verteilt. Siebenunddreißig insgesamt. Jede markierte einen Ort, an dem eine der Frauen lebte, die er die »Unwissenden« nannte, und jede heftete das Foto einer solchen Frau auf die Karte. Wie Blutflecken ruinierten sie die glatte Oberfläche und erinnerten ihn daran, wie viel Arbeit noch vor ihm lag. Arbeit, die bald erledigt werden musste.
    Sie bereiteten ihm Sorgen, diese Reißzwecken, ernsthafte Sorgen.
    Es waren einfach zu viele, fand er. Es gab noch weitere Reißzwecken, mit schwarzen Köpfen. Sie standen für den Tod. Mit den schwarzen Reißzwecken befestigte er ebenfalls Fotos auf der Landkarte, andere Aufnahmen, mit der Bildseite nach unten, so dass nur noch weiße Rechtecke mit ordentlich geschriebenen Geburts- und Todesdaten zu sehen waren. Es gab zwölf davon, verteilt über die gesamten Vereinigten Staaten.
    Doch er machte Fortschritte – stetige Fortschritte. Zwar kam er nur langsam voran, da er sich auf niemand anderen als auf sich selbst verlassen konnte, doch diese Lektion hatte er auf die harte Tour lernen müssen.
    Lächelnd zog er eine rote Reißzwecke aus dem Gebiet von Südkalifornien, dann ging er zum Drucker und entnahm ihm ein bereits ausgedrucktes Digitalfoto. Shelly Bonaventure starrte ihm zu Tode verängstigt entgegen. Zufrieden über den Ausdruck nackten Entsetzens auf ihrem Gesicht, verzerrte sich sein Lächeln zu einem breiten Grinsen. In jenem Augenblick hatte sie gewusst, dass sie sterben würde. Er hatte die Aufnahme mit seiner Handykamera gemacht, bevor er durch die Verandatür verschwunden war, und sie hierher auf seinen PC geschickt.
    Er hatte sich zu viel Zeit gelassen; als er über die Straße geeilt war, hatte er bereits Sirenengeheul vernommen, das rasch näher gekommen war.
    Doch er war ihnen entwischt. Wieder einmal.
    Er nahm die Schere zur Hand, die er in einer Schublade aufbewahrte, und schnitt das kleine Foto aus, dann notierte er sorgfältig Shelly Bonaventures Geburts- und Sterbedatum auf der Rückseite. Jetzt konnte er endlich das Porträtfoto, das er mit Photoshop aus ihrer Sedcard ausgeschnitten hatte, abnehmen und seine eigene Aufnahme anbringen, mit einer schwarzen Reißzwecke und der Bildseite nach unten. Das Foto, das sie lebendig zeigte, legte er auf einen Stapel in der Schublade. Perfekt.
    Sein Blick glitt über sein Werk, blieb an den anderen schwarzen Reißzwecken hängen – Frauen, die vor Shelly gestorben waren – und an den roten – »Unwissenden«, denen die Strafe noch bevorstand. Jede Frau war auf ihre eigene Art und Weise bemerkenswert, und sie alle waren zwischen achtundzwanzig und sechsunddreißig. Die meisten hatten brünettes Haar, doch es gab auch ein paar gefärbte Blondinen und mehrere Rotschöpfe.
    Die Fotos ballten sich hauptsächlich im Nordwesten. Zwei hingen in der kanadischen Provinz Britisch-Kolumbien, beide nahe Vancouver Island, eine in Alberta, mehrere in Washington State, eine ganze Menge in Oregon, und ein paar waren über Kalifornien verteilt. Drei in Nevada, zwei in Arizona, eine Handvoll in Montana, eine weit weg in Delaware. Sechs der Frauen lebten im Mittleren Westen. Drei in Chicago.
    Diejenigen, die sich in einer bestimmten Gegend oder einem Bundesstaat häuften, bereiteten ihm die meisten Sorgen, denn wenn er nicht absolut vorsichtig war, könnte

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