Zwillingsbrut
bestanden, dass der Junge über Nacht im Krankenhaus blieb, damit man ihn am Monitor überwachen konnte; sein Fieber war gesunken, und Trace war doch erleichtert, obwohl er am liebsten auf dem unbequemen Stuhl am Bett seines Sohnes kampiert hätte.
»Ich werde nach ihm sehen, bevor ich morgen in die Poliklinik gehe«, versprach Kacey, als sie aus dem Eingangsbereich des Krankenhauses hinaus auf den Parkplatz gingen, auf dem verstreut ein paar Autos standen. Der nächtliche Himmel war dicht bewölkt. Eine kalte Brise wehte vom Fluss herauf, in dem sich die blinkenden Lichter der Stadt spiegelten.
»Es wird ihm gar nicht gefallen, im Krankenhaus zu sein.«
»Wem gefällt das schon?« Sie drehte sich um und warf einen Blick zurück auf das Gebäude mit seinen hell erleuchteten Fenstern. Eine frische Girlande aus Zedernzweigen war über dem Eingang drapiert. »Morgen sollte er wieder entlassen werden.«
Trace brachte sie zu ihrem Auto, das noch auf dem Parkplatz vor dem Hintereingang der Poliklinik stand, und als sie die Tür öffnete, fasste er sie am Ellbogen und hielt sie einen Moment zurück. »Danke, Kacey«, sagte er.
»Keine Ursache.«
»Im Ernst.«
Sie sah ihn erwartungsvoll an und wandte ihr Gesicht zu ihm, wobei sich die Schneeflocken, die eben wieder vom Himmel fielen, in ihren Augenwimpern fingen und auf ihren Wangen schmolzen.
Im bläulichen Licht der einzelnen Straßenlaterne sah sie fast ein wenig gespenstisch aus; ihre Haut wirkte blass, die Augen eine Spur dunkler als bei Tageslicht. Einen kurzen Augenblick meinte er, Leanna vor sich zu sehen.
Oder Jocelyn?
Er fröstelte. »Ich hab’s gern getan, Trace«, sagte Kacey mit einem Lächeln. »Ich bin froh, dass Sie angerufen haben. Es war wichtig für Eli.«
»Sie hätten mir nur sagen müssen, dass ich ihn ins Krankenhaus bringen soll, doch Sie haben noch mehr getan.«
»Ja, nun, vielleicht wollte ich ihn einfach sehen«, sagte sie schlicht, was sein Herz berührte.
In dieser Sekunde verspürte er den Drang, sie zu küssen.
Es schneite jetzt stärker, dicke Flocken tanzten um sie herum. Am liebsten hätte er sie hier und jetzt in seine Arme gezogen, seine Lippen auf ihre gepresst und einfach abgewartet, was dann passierte.
Sie schien dasselbe zu empfinden, das sah er in ihren Augen, und beinahe hätte er das Atmen vergessen.
Tu’s nicht! Es verkompliziert die Dinge nur, wenn du diese Frau küsst!
Und trotzdem war es da, das Knistern zwischen ihnen.
»Ich rufe Sie an, wenn ich morgen früh nach ihm gesehen habe.« Dann, noch bevor er reagieren konnte, stellte sie sich auf die Zehen, umarmte ihn und streifte mit den Lippen seine Wange. Sie fühlte sich stoppelig an.
Als sie ihm ihren Arm entziehen und ins Auto steigen wollte, sagte er: »Nein. Warte.« Sein Griff wurde fester, und sie zögerte und blickte ihn erstaunt über die Schulter an. Hatte er sie gerade geduzt?
»Was denn?«
»Ich muss dir etwas zeigen.«
Tatsächlich. »Jetzt?«
»Ja, aber bei mir zu Hause.«
»Ich soll zu dir fahren?«
Er sah den Zweifel in ihren Augen. Ja, sie hatte ihn umarmt und seine Wange geküsst, aber vermutlich hatte sie ihn nur trösten wollen, und er hatte sie mit seiner Bitte verwirrt.
»Ich habe einen neuen Hund, den ich schon viel zu lange allein gelassen habe«, gab sie zu bedenken.
»Dann werde ich zu dir kommen. Ich muss nur schnell etwas von zu Hause holen.« Als er sah, dass sie erneut Einwände erheben wollte, fügte er rasch hinzu: »Ich glaube nicht, dass das warten kann. Ich bin in ungefähr vierzig Minuten bei dir. Es wird nicht lange dauern, versprochen. Wirklich, du solltest dir das ansehen.«
»Kannst du mir nicht einfach jetzt sagen, was es ist?«
Er spürte, wie einer seiner Mundwinkel nach oben zuckte. »Nein.«
»Du weißt, wo ich wohne?«
Er nickte. »Ich habe ein wenig recherchiert. Aber das erzähle ich dir gleich. Vertrau mir.«
Sie kniff misstrauisch die Augen zusammen, doch schließlich nickte sie. »Einverstanden.«
»Gut.« Die Wagentür schlug zu, sie ließ den Motor an, im Wageninnern ertönte »Carol of the Bells«.
Eine Hand zum Abschied erhoben, fuhr sie davon. Eilig lief er zu seinem Pick-up. Er wusste nicht, warum, doch plötzlich hatte er den Drang verspürt, sich ihr anzuvertrauen. Vielleicht war es die Art und Weise, wie sie ihm in die Augen gesehen oder sich um seinen Sohn gekümmert hatte, vielleicht dachte er auch einfach nur, dass sie die Wahrheit kennen sollte, doch er wollte seine Beweggründe
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