Zwillingsbrut
Clarissa schienen Kaceys Anwesenheit vergessen zu haben, so beschäftigt waren sie mit der Einberufung der Familienkonferenz. »Entschuldigung«, sagte Kacey und räusperte sich.
»Der Sitzungsraum ist geradeaus den Gang entlang Richtung Nord-Entree. Wir kommen
jetzt
zusammen«, machte Clarissa sie aufmerksam.
»Ich habe nicht vor aufzubrechen«, sagte Kacey.
Noch nicht.
»Ich muss nur noch einen Anruf erledigen.«
Beide sahen ihr mit ernster Miene nach, als sie das Büro verließ. Da hatte sie gedacht, sie sei paranoid, und nun stellte sich heraus, dass das in der Familie lag.
Sie ging in Richtung Sitzungszimmer, rüttelte an den Türen, die, so stellte sie fest, allesamt verschlossen waren, dann wählte sie die Nummer vom Büro des Sheriffs, die sie in ihrer Handy-Adressliste gespeichert hatte.
»Detective Alvarez, bitte«, sagte sie, als der Anruf beim Empfang einging. »Mein Name ist Dr. Lambert, ich hatte schon einmal angerufen.«
Sie wurde sofort durchgestellt. »Alvarez«, meldete sich eine der beiden ermittelnden Detectives.
»Hier Kacey Lambert. Ich weiß, dass Sie mit Trace O’Halleran gesprochen haben. Er hat die Mikrophone entdeckt.«
»Ja. Wir würden gern bei Ihnen vorbeischauen und uns selbst ein Bild machen. Heute Nachmittag?«
»Geht es auch erst am Spätnachmittag?«, fragte Kacey. »Ich habe einen Termin außerhalb der Stadt, und es könnte ein wenig länger dauern. Aber ich bin wirklich sehr daran interessiert, dass die Abhöranlage wieder aus meinem Haus verschwindet.«
»Rufen Sie uns an, sobald Sie auf dem Heimweg sind.«
»Vielen Dank«, sagte Kacey aufrichtig.
Als Nächstes rief sie Trace an, der sich so schnell meldete, als hätte er das Telefon bereits am Ohr gehabt.
»Kacey«, sagte er. Allein die Art und Weise, wie er ihren Namen aussprach, ließ sie dahinschmelzen.
»He. Ich treffe mich später bei mir zu Hause mit der Polizei. Sie wollen die Mikrophone entfernen, denke ich, auf jeden Fall aber einen Blick darauf werfen. Ich bin froh, wenn die Wanzen endlich weg sind.«
»Das kann ich verstehen. Bist du bei der Arbeit?«
»Im Augenblick habe ich einen Termin außerhalb der Klinik«, sagte sie, da sie ihm im Augenblick nicht alles erklären wollte. Sie wusste ja selbst noch nicht, was sie von den Johnsons halten sollte. »Ich habe den Beamtinnen gesagt, dass ich mich bei ihnen melde, sobald ich auf dem Heimweg bin.«
»Ruf mich bitte ebenfalls an.«
»Mache ich.«
»Kacey …«
»Ja?«
»Sei vorsichtig«, bat er. Offensichtlich ahnte er mehr, als sie vermutete.
»Bis heute Abend«, sagte sie, dann steckte sie ihr Handy in das dafür vorgesehene Fach in ihrer Handtasche und sah mit zunehmender Nervosität, wie Gerald und Clarissa aus dem Büro traten und den Gang hinunter auf sie zukamen.
»Nun hau schon ab und sieh nach deinen Kindern«, sagte Alvarez zu Pescoli. »Hier passiert ja doch nichts, bis wir uns an Dr. Lamberts Haus treffen.«
»Ich fahre schnell heim, scheuche Chris aus dem Haus, sollte er da sein, und bin gleich wieder zurück.«
Alvarez winkte ab. Im Augenblick hingen sie in der Warteschleife. Warteten auf die Laborergebnisse. Warteten auf Rückrufe. Warteten, warteten, warteten.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch. Ihr Blick schweifte über ihre Notizen. Noch fehlte das Bindeglied, das alles zu einer sinnvollen Einheit zusammenfügte. Sie blätterte durch die Seiten mit Geistesblitzen, Ideen, Kritzeleien und anschließend durch Akten voller Berichte und kam zu dem Schluss, dass sie nicht mehr tun konnte als das, was sie schon getan hatte: Anrufe tätigen. Druck machen. Immer in der Hoffnung, auf jemanden zu stoßen, der neue Informationen für sie hatte.
Ihre Augen blieben an der Nummer von Elle Alexanders Eltern in Boise hängen. Sie hatte es schon zweimal probiert und Nachrichten aufs Band gesprochen, aber nie hatte jemand zurückgerufen. Sie waren in Trauer. Das verstand sie. Vielleicht waren sie der Ansicht, dass es genügte, wenn die Behörden mit Tom, Elles Ehemann, sprachen. Die meisten Menschen verabscheuten es, wenn die Polizei in ihre Privatsphäre eindrang, selbst wenn das ein notwendiges Übel war.
Sie wählte und überlegte währenddessen, was sie sagen wollte. Es klingelte und klingelte. Selena glaubte schon, wieder mit dem Anrufbeantworter verbunden zu werden, als sich eine zurückhaltende Frauenstimme meldete. »Hallo?«
»Hier spricht Selena Alvarez. Mrs. Morris?«, fragte die Latina mit einem Blick in ihre Unterlagen.
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