Zwillingsbrut
Clarissa mit verkrampftem Gesichtsausdruck fest. »Wer ist die dritte, Dad?«
»Elle Alexander, eine meiner Patientinnen«, antwortete Kacey. »Mutter von zwei Kindern.«
»All diese Frauen sind vor kurzem gestorben, stimmt’s?« Ihre blauen Augen weiteten sich. »Was geht hier vor?«, fragte sie ihren Vater, dann, an Kacey gewandt: »Jetzt sag schon, warum bist du hier?«
Gerald stieß einen langen, tiefen Seufzer aus. »Wir sollten besser eine Familienkonferenz einberufen.« Er war blass, und zum ersten Mal, seit sie in sein Büro spaziert war, meinte Kacey, Gerald Johnson sein Alter anzusehen. Die Krähenfüße in seinen Augenwinkeln wirkten plötzlich tiefer, die Knöchel seiner Hände traten stärker hervor.
Alles nur Einbildung,
sagte sie sich.
»Judd ist heute hier«, sagte er. »Und Robert auch, richtig?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Clarissa zögerte. »Ich bin gerade erst aus einem Meeting mit der Buchhaltung gekommen, aber, ja, Robert war heute Morgen im Labor … Cameron und Colton sind nicht da. Cam war in Spokane, wo er sich mit einem Lieferanten getroffen hat, und Colt …« Sie blickte auf ihre Armbanduhr. »Er müsste gleich landen. Er war in Seattle bei einer Besprechung mit dem Leiter der Kardiologie an der medizinischen Fakultät.«
Kacey wäre fast das Herz stehengeblieben, als sie an die Stadt dachte, in der sie so brutal überfallen worden war, und an die Klinik, in der sie ihr Praxisjahr absolviert hatte. JC war dort in der Herzabteilung tätig gewesen. Was für eine Ironie, dass ihr Erzeuger ebenfalls Herzchirurg gewesen war!
Aber das konnte auch nur Zufall sein. Seattle war eine große Stadt. Trotzdem überkam sie ein ungutes Gefühl.
Ohne zu zögern, fuhr Clarissa fort: »Was Thane angeht – keine Ahnung!« Sie blickte aus dem Fenster. »Wer weiß das schon?«
»Bitte alle, die du erreichen kannst, zu einem Treffen im Sitzungszimmer. Colt kannst du eine Nachricht auf dem Handy hinterlassen, dass er herkommen soll, sobald er gelandet ist. Cam können wir über Skype zuschalten.«
»Und Thane?«
»Ruf ihn an und frag ihn, ob er kommen kann oder sich ebenfalls über Skype zuschaltet.«
»Thane skypt nicht«, erinnerte ihn Clarissa, und Kacey hatte den deutlichen Eindruck, dass dieser Bruder, der dritte in der Geburtenfolge und der zweitgeborene eheliche Sohn, nicht nach den Regeln seines alten Herrn spielte. Ein Einzelgänger – oder das schwarze Schaf der Familie. Abgesehen davon, dass er sich nicht allzu weit von der Firma des Leithammels entfernt hatte. »Was ist mit Mom?«
»Lass sie im Augenblick noch da raus.« Gerald überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »Ich werde das auf meine Weise regeln.«
»Gute Idee«, erwiderte Clarissa sarkastisch. »Das hat ja schon früher ganz wunderbar funktioniert. Wenn Lance mir das antäte, was du Mom antust, würde ich ihn voller Wonne bei
Jerry Springer
oder in sonst einer Schmutzwäsche-Fernsehshow zerreißen. Ich würde ihn in winzige Stücke schneiden, am besten mit einem Buttermesser.«
»Großherzigkeit war nie deine Stärke«, bemerkte ihr Vater trocken.
Clarissa zuckte die Achseln. »Das ist nur das, was ich empfinde, und da mir jemand diese Woche mein Gewehr geklaut hat, muss ich eben zu anderen Mitteln greifen. Wäre eine Axt besser?«
»Hör auf damit«, sagte ihr Vater warnend.
»Ich sagte nur, dass ich mich nicht so schikanieren lassen würde, und du würdest dir das auch nicht gefallen lassen. Wenn Mom dich betrogen und eine Horde von Bastarden in die Welt gesetzt hätte, hättest du das niemals geduldet.«
»So etwas hätte deine Mutter nie getan.«
»Eben. Denn im Gegensatz zu dir besitzt sie zumindest ein Minimum an Klasse.« An Kacey gewandt, fügte Clarissa sarkastisch hinzu: »Gratuliere. Es braucht einiges, um dieses Hornissennest aufzumischen, und es sieht ganz so aus, als sei dir das gelungen.« Sie stampfte aus dem Büro, zornig wie eine Bärenmutter, die ihre Jungen bedroht sieht.
Gerald warf einen letzten flüchtigen Blick auf die Fotos der toten Frauen in seiner Hand, dann steckte er sie in eine lederne Aktenmappe, die neben seinem Schreibtisch stand. »Clarissa hat recht. Ich befürchte, du hast etwas ins Rollen gebracht, das du noch bereuen wirst.«
Doch Kacey würde sich von niemandem abschrecken lassen, nicht, wo sie schon so weit gekommen war. »Da mache ich mir keine Gedanken.« Aber das war gelogen, und sie wussten es beide.
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Kapitel 29
G erald Johnson und seine Tochter
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