Zwillingsbrut
den Verstand, den Gott dir gegeben hat, und lass die Finger von Wildpferden!«, hatte der Arzt ihm damals geraten.
Jetzt blickte Trace auf seinen Sohn, der noch immer vorsichtig seinen verletzten Arm wiegte und dabei aus dem Beifahrerfenster starrte.
Eli hatte die Kiefer fest aufeinandergepresst; seine Augen waren gerötet, doch bislang kämpfte er tapfer gegen die Tränen. Sein Atem beschlug die Scheibe, die verschmiert war von der Nase ihres Hundes Sarge – ein buntgefleckter Streuner, der ihnen vergangenes Jahr halb verhungert zugelaufen war. Halb Australischer Schäferhund, halb weiß Gott was, war der Hund Teil ihrer kleinen Familie geworden. Als Trace nach dem Anruf von der Grundschule hinaus zu seinem Pick-up gelaufen war, war Sarge ihm nachgaloppiert und enttäuscht am Tor zurückgeblieben, als Trace »Nächstes Mal, alter Junge!« gesagt hatte. Trotz der Kälte und der Tatsache, dass er sich in die warme Scheune zurückziehen könnte, würde der Schäferhundmischling vermutlich die ganze Zeit über am Tor warten, bis sie endlich nach Hause kamen.
Als hätte er gespürt, dass sein Vater ihn ansah, murmelte Eli: »Ich hasse Cory Deter! Er ist so ein Blödmann.«
»Ist Cory schuld an deinem Unfall?«
Eli zuckte leicht die Schultern.
»Komm schon, Kumpel. Mir kannst du’s doch erzählen.«
Eli kritzelte mit dem Zeigefinger seiner unverletzten Hand Männchen auf die beschlagene Scheibe, hustete, zuckte zusammen und sagte: »Er hat mich geschubst. Wir waren auf dem Klettergerüst, wollten nach ganz oben, und er hat sich einfach hochgezogen und mich weggestoßen.«
»Und du bist runtergefallen.«
»Ja.«
»Wo waren die Lehrer?«
»Unter dem Vordach.« Er sah Trace von der Seite an. »Miss Wallis war nicht da.«
»Nach ihr habe ich nicht gefragt«, erwiderte Trace schärfer als beabsichtigt. Er schaltete den Scheibenwischer an.
»Ich weiß.« Wieder ein Schulterzucken.
Trace kam sich vor wie ein Idiot. Was hatte er sich bloß dabei gedacht, als er letztes Jahr mit der Lehrerin seines Sohnes ausgegangen war? Es war ein Fehler gewesen, das hatte er von der Sekunde an gewusst, als sie ihn zum Abendessen eingeladen hatte. Er hatte sich eingeredet, es wäre wegen Eli, sie wolle mit ihm über den Jungen und dessen schulische Probleme sprechen, doch im Grunde hatte er gespürt, dass es nicht darum ging.
Dennoch war er viermal mit ihr ausgegangen. Nun, fünfmal, wenn man den Abend mitrechnete, an dem sie versucht hatten, das wieder zu entfachen, was nie wirklich gebrannt hatte. Sie waren gescheitert – und sie waren beide enttäuscht gewesen.
Er seufzte. Jocelyn Wallis hatte geglaubt, die Wunde heilen zu können, die Leanna geschlagen hatte, als sie aus Elis und seinem Leben verschwunden war. Sie hatte nicht glauben wollen, dass Trace nicht an einer Beziehung interessiert war und es vorzog, sein Kind ohne weibliche Unterstützung großzuziehen.
Da war sie nicht die Einzige. Auch Eli konnte nicht vergessen, dass sich sein Vater ein paar Male mit seiner Lehrerin getroffen hatte. Er hing sehr an Jocelyn Wallis und hätte es anscheinend gern gesehen, wenn sie öfter bei ihnen gewesen wäre.
Ja, er hatte wirklich Mist gebaut.
Jetzt sagte sein Sohn: »Sie war heute nicht in der Schule.«
»Miss Wallis? Nun, egal. Aber irgendwer muss die Aufsicht über den Pausenhof gehabt haben.«
»Mr. Beene hatte Aufsicht, weil Miss Wallis nicht da war. Er ist Vertretungslehrer.«
»Ich werde mit ihm reden müssen.«
»Es war nicht seine Schuld«, versicherte ihm Eli. »Schuld hatte der blöde Cory Deter!«
»Ich weiß, dass du stinksauer bist, trotzdem: keine Beschimpfungen, okay?«
»Aber es stimmt doch.« Eli wischte sich mit dem Jackenärmel die Nase und presste wieder die Kiefer aufeinander. »Er ist ein gemeiner Arsch.«
»Komm schon, Eli. Es ist nicht nett, so über jemanden zu sprechen –«
»Er hat mich geschubst!«
»Und das war falsch«, stimmte ihm Trace mit ruhiger Stimme zu.
»Ja, das war es!« Eli funkelte ihn an, wütend darüber, dass sein Vater nicht zu begreifen schien, wie unmöglich Cory Deter war.
»Na schön, vielleicht ist er tatsächlich ein gemeiner Arsch.«
Eli entspannte sich ein wenig.
»Aber das bleibt unter uns, klar?« Trace deutete mit dem Finger mehrmals zunächst auf Eli und dann auf sich. »Unser Geheimnis.«
»Jeder weiß doch, dass er ein Arsch ist.«
»Wie auch immer. Du musst es ja nicht noch mal sagen.«
»Aber Becky Tremont und ihre Freundin Tonia haben mich
Weitere Kostenlose Bücher