Zwillingsbrut
Lippen aufeinander. Er versuchte, tapfer zu sein. Seine Angst, so schätzte sie, war vermutlich schlimmer als die Verletzungen.
»Trace O’Halleran.« Der Cowboy stellte sich selbst vor und streckte eine Hand aus, den Blick auf das Namensschild an ihrem Kittel geheftet: DR . ACACIA LAMBERT . Er hatte eine große Hand. Schwielig und kräftig. Sein Gesicht war gebräunt und gegerbt von Wind und Sonne, sein braunes Haar durchzogen von hellen Strähnchen, die, so vermutete sie, ebenfalls von der Arbeit draußen stammten. Seine Augen waren außergewöhnlich blau, seine Nase machte den Eindruck, als wäre sie mindestens einmal gebrochen gewesen, das Lächeln schien ihm schwerzufallen. »Ich bin Elis Vater.«
Sie schüttelte seine Hand. »Also, was ist passiert?«
»Ein Unfall auf dem Pausenhof«, erklärte Trace. »Erzähl’s ihr«, forderte er den Jungen auf und versetzte ihm einen sanften Stups.
»Man hat mich vom Klettergerüst geschubst.« Zorn flackerte in den braunen Augen des Jungen auf.
»Warum erzählst du mir das nicht, während ich deinen Arm untersuche?«, schlug Kacey ihm vor.
Eli schaute seinen Vater an, der nickte.
Rasch wusch sie sich die Hände in dem kleinen Waschbecken, trocknete sie mit einem Papiertuch ab und streifte sich ein Paar Latexhandschuhe über. Dann entfernte sie vorsichtig Schlinge und Schiene, ein kleines Wattepolster und ein Kühlpad. Elis Gesicht wurde noch weißer. »Tut weh, nicht?«
Der Junge brachte kein Wort heraus, aber er nickte mit Tränen in den Augen, was ihn verlegen zu machen schien.
»Wie ist es zu dem Unfall gekommen?«
»Cory Deter hat mich vom Klettergerüst geschubst.« Eli blinzelte jetzt heftig. Seine Lippen wurden schmal. »Er ist ein blöder Arsch.«
»Nun, da muss ich dir recht geben, wenn er dafür verantwortlich ist«, stimmte sie ihm zu. »Was genau ist denn passiert?«
»Ich bin runtergefallen! Und … und ich habe meine Hände so nach vorne gehalten …« Er streckte die Arme aus, zuckte zusammen und atmete scharf ein. Sein linker Arm fiel zurück an seine Seite, und er wurde wieder aschfahl.
»Okay, dann hast du den Sturz also mit den Armen abgefangen.« Kacey nickte. »Wann genau war das?«, fragte sie, an den Vater gerichtet.
»Das kann ich nicht sagen«, antwortete dieser. Er blickte sie durchdringend an, als versuche er, aus ihr schlau zu werden. »Ich habe den Anruf von der Schule vor ungefähr vierzig Minuten bekommen; vermutlich gleich, nachdem es passiert ist.«
»Gut.« Sie wandte sich wieder Eli zu. »Jetzt muss ich mir deinen Arm ein wenig genauer ansehen. Einverstanden?«
Der Junge blickte sie unter seinen dichten Augenbrauen hinweg misstrauisch an.
»Das ist schon in Ordnung«, beruhigte ihn sein Vater und legte seine große Hand auf die des Kindes, doch er wirkte genauso beunruhigt wie sein Sohn.
»Na schön«, stimmte Eli schließlich zu.
Vorsichtig untersuchte sie den Arm. Prüfte sein Bewegungsvermögen, fuhr mit den Fingern über die Muskeln und Gelenke, beobachtete Elis Reaktionen. Die ganze Zeit über wich Trace nicht von seiner Seite.
»Ich glaube nicht, dass etwas gebrochen ist«, sagte sie schließlich, »aber das können wir erst nach dem Röntgen ausschließen. Es besteht immer die Möglichkeit einer Stressfraktur.«
Ein Muskel an Trace’ Kinn zuckte. »Das hat die Schulkrankenschwester auch gesagt, und sie meinte, er habe Fieber. Er hat eine Erkältung, die er einfach nicht loswird.«
»Wenn du schon mal da bist«, sagte Kacey zu Eli, »sollten wir auch deine Temperatur messen und anschließend in deinen Hals und vielleicht auch in deine Ohren sehen.«
Zögernd willigte Eli ein. Seine Temperatur lag nach wie vor bei achtunddreißig drei, seine Lymphknoten waren leicht geschwollen, die Trommelfelle gerötet und sein Hals so entzündet, dass sie einen Streptokokkenabstrich machte. »Sieht aus, als würdest du ein Antibiotikum brauchen«, sagte sie schließlich. »Ich wette, dein Hals tut ganz schön weh.«
»Höllisch«, bestätigte Eli und nickte zustimmend mit dem Kopf.
Trace runzelte die Stirn. »Du hast gar nichts gesagt.«
»Hat ja vorher auch nicht weh getan«, gab sein Sohn zurück.
»Das kann plötzlich auftreten. Sieht nach einer beidseitigen Ohrenentzündung aus; vermutlich hat er auch Streptokokken«, erklärte Kacey, an Trace gewandt, dann blickte sie wieder seinen Sohn an. »In ein paar Tagen wird es dir bessergehen, Eli«, versprach sie. »So, und jetzt werden wir erst mal ein Röntgenbild
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