Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Joelle?«
    »Seit ich nicht immer die Spielverderberin sein möchte.«
    »Dann hör auf zu meckern, okay?« Selena wandte sich wieder dem Papierstapel vor ihr zu. »Ich hasse es, wenn du anfängst zu quengeln.«
    »Ich kann nicht glauben, dass
du
da mitmachst«, erklärte Pescoli, dann stellte sie fest, dass sich das Gesicht ihrer Partnerin verfinsterte. Dennoch setzte sie nach: »Ist das hier das Büro des Sheriffs oder ein Bridge-Club?«
    »Vielleicht könnten wir alle ein wenig Weihnachtsstimmung gebrauchen«, bemerkte Alvarez und fügte hinzu: »Gibt es nichts Wichtigeres, worüber du dich aufregen könntest?«
    »Nur ungefähr eine Million andere Dinge.« Dinge, die nicht nur ihre Arbeit betrafen, sondern auch den Termin später bei der Schule, bei dem es um Biancas schwindendes Interesse an allem gehen sollte, was mit der Highschool von Grizzly Falls zusammenhing. Und dann war da noch Jeremy … immer wieder bereitete ihr Sohn ihr Sorgen.
    »Dann vergiss das Wichteln. Wen kümmert’s schon?«
    Vermutlich hatte Selena recht. Pescoli nippte an ihrem kalt werdenden Kaffee und wandte sich zum Gehen. Es war wirklich nur eine Kleinigkeit, und trotzdem hatte sie absolut keine Lust darauf. Mit Cort Brewster zusammenzuarbeiten und ihn zudem als Vorgesetzten zu haben, war schlimm genug; doch bei dem Gedanken, sich bei ihm einzuschleimen, indem sie ihm nette kleine Weihnachtsgeschenke zusteckte, drehte sich ihr der Magen um.
    »Es könnte schlimmer sein!«, rief Alvarez ihr hinterher.
    »Das kann ich mir kaum vorstellen.«
    »Joelle könnte deinen Namen gezogen haben!«
    Pescoli schloss die Augen und schauderte, als sie sich die Myriaden von Plastikwichteln vorstellte, dazu Karten, die Weihnachtslieder dudelten, griesgrämig dreinblickende Nussknacker zum Aufziehen und Schokoladenrentiere, die Joelle zweifelsohne schon gehamstert hatte. Schon bald könnte sich all das auf ihrem Schreibtisch ansammeln, wenn sie bis Weihnachten Tag für Tag ein neues, noch absurderes Kitschgeschenk zwischen den blutigen Bildern in ihren Mordakten fände.
    »Da kann ich nur beten«, murmelte sie und machte sich auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz, auf dem sie bislang – glücklicherweise – noch keine kleinen Überraschungen von ihrem ganz persönlichen Weihnachtswichtel erwartete.
     
    »Lass besser die Finger davon.« Gail Harding hatte sich vorsichtig an Hayes’ Schreibtisch herangeschlichen. Im Department ging es geschäftig zu, Stimmengewirr drang über die halbhohen Trennwände der Großraumarbeitsplätze, Telefone klingelten, doch Jonas Hayes hatte kaum etwas davon bemerkt, so sehr war er in Gedanken versunken.
    Shelly Bonaventures Akte, die Sterbeurkunde obenauf, lag aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch; ihr Foto, eine Porträtaufnahme vom Vorjahr, starrte ihm entgegen.
    »Ich werde von gar nichts die Finger lassen. Noch nicht.«
    »Ihr Tod ist als Selbstmord eingestuft worden.« Harding tippte auf die entsprechende Zeile der Sterbeurkunde. »Siehst du? Todesursache: vermutlich Selbstmord.«
    »
Vermutlich
ist das entscheidende Wort.«
    »Der Fall ist abgeschlossen. Vorbei.«
    Hayes schüttelte den Kopf und schob seinen Stuhl zurück. »Es schadet nicht, wenn ich ein wenig daran arbeite, in meiner Freizeit.« Er stand auf und überragte sie nun um fast eine Kopflänge. Sie gaben ein seltsames Paar ab, das wusste er. Er war ein ehemaliger Sportler, ein Afroamerikaner, der seinen Körper immer noch mit Ratball und Gewichten in Form hielt, sie dagegen war eine zierliche Angelsächsin, ein Mädchen mit roter Strubbelfrisur und riesigen Augen.
    »Ich bin auf dem Weg zu einem ›Unfall‹ auf dem Sepulveda Boulevard, ein paar Blocks vom Flughafen entfernt. Ein Motorrad ist in den entgegenkommenden Verkehr gerast. Sieht aus, als wär’s Absicht gewesen. Der Fahrer der Honda-Maschine wurde von einem Geländewagen gerammt, der in die entgegengesetzte Richtung fuhr, obwohl es keinerlei Grund dafür gab. Kommst du mit?«
    Hayes schnitt eine Grimasse. »Das würde ich mir doch niemals entgehen lassen.«
    Er überflog noch einmal die aufgeschlagene Akte auf seinem Schreibtisch, dann klappte er sie zu und folgte Harding zu den Aufzügen. Wahrscheinlich hatte sie recht. Es war Zeit, Shelly Bonaventures Selbstmord zu den Akten zu legen, aber er konnte es einfach nicht.
    Sie hatten die meisten ihrer Freunde und Familienmitglieder befragt, von denen keiner einen Selbstmord vorhergesehen hatte. Ja, es hatte geheißen, sie leide an Depressionen,

Weitere Kostenlose Bücher