Zwillingsbrut
ergreifen, sobald sie sich ergab. Außerdem boten ihm die Feiertage eine gewisse Deckung: Es waren mehr Menschen unterwegs als sonst, und die Leute waren beschäftigt und abgelenkt. Zurzeit hatte sie weder eine Alarmanlage noch einen Wachhund noch einen Mitbewohner, doch all das konnte sich von jetzt auf gleich ändern. Er musste schnell sein, handeln, solange es noch machbar war.
Langsam war er an ihrer Auffahrt vorbeigerollt, dann noch einmal, um sicherzugehen, dass sie nicht aufgetaucht war, und hatte beschlossen, diese Chance zu nutzen.
In anderthalb Meilen Entfernung stellte er den Wagen hinter einem Geröllhaufen in einem alten Steinbruch ab und schnallte seine Langlaufski an. Glücklicherweise grenzte die Farm ihrer Familie an einen Nationalpark, so dass er nur über wenige Zäune steigen musste. Zahlreiche Wege und Pfade wanden sich durch die Pinien-, Lärchen- und Wacholderbestände; gut, dass er zuvor die kürzesten Routen ausgekundschaftet hatte.
Ausgerüstet mit einem Nachtsichtgerät, glitt er vorsichtig durch den stillen Wald, schreckte einen Schneehasen auf, der schnell in ein Dickicht aus tief verschneiten Kiefern hoppelte.
Adrenalin pulste durch sein Blut, und er sperrte die Ohren auf und scannte mit Hilfe seines Nachtsichtgeräts die Umgebung, dann lief er weiter. Ein Reh verharrte wie erstarrt, als er vorüberglitt, ein Marder schlich durchs Unterholz.
Er rammte die Skistöcke in den Schnee und durchquerte den Wald bis zu dem Zaun, der den Besitz der Collins vom Nationalpark trennte. Nachdem er eine Minute gezögert, erneut die Ohren gespitzt und die vor ihm liegenden Felder nach Anzeichen von Leben abgesucht hatte, schnallte er die Ski ab und stieg in seine Schneeschuhe, dann kletterte er über den Zaun.
Auf der anderen Seite bewegte er sich so schnell und leise wie Jahre zuvor in der Wüste, als er bei den Marines gewesen war. Er hielt sich dicht am Zaun, damit seine Spuren nicht allzu sehr auffielen, und schlich zu den Nebengebäuden. Trotz der Minustemperaturen schwitzte er; seine Nerven waren straff wie Drahtseile, seine Muskeln angespannt. Er war bereit.
An der Rückseite des Stalls angekommen, hielt er inne und atmete tief durch, dann drückte er sich an den Außenmauern entlang in Richtung Haus. Warmes Licht fiel aus dem Arbeitszimmerfenster.
Wider Willen musste er schmunzeln.
Ihr Bestreben, das Haus so erscheinen zu lassen, als sei jemand anwesend, war amateurhaft, wenn nicht naiv.
Er betrat den Garten hinter dem kleinen Farmhaus und blieb wieder stehen. Prüfend sah er sich um, vergewisserte sich, dass tatsächlich niemand darin war, dann schlich er durchs Gebüsch zur Rückseite der Garage.
Der Schnee fiel so dicht, dass man kaum die Hand vor Augen erkennen konnte; die nächtliche Stille wurde nur von seinen eigenen Atemgeräuschen und dem Klopfen seines Herzens durchbrochen.
Er wäre ungestört, fragte sich nur, wie lange.
Schnell löste er die Schneeschuhe von seinen Stiefeln, dann schlich er um die Garage herum und leuchtete mit seiner Taschenlampe durch das Fenster der Seitentür.
Kein Auto.
Sie war nicht zurückgekehrt.
Noch nicht.
Vorsichtig setzte er seine Füße genau in die Trittspuren, die sie zuvor hinterlassen hatte, bis er an der hinteren Verandatür angekommen war. Aus den Tiefen seiner Jackentasche förderte er einen Schlüsselbund zutage und suchte den heraus, den er neu hatte anfertigen lassen. Er grinste, als er daran dachte, wie er die Heizung außerstand gesetzt und so getan hatte, als sei er vom Reparaturdienst. Nachdem er die Schlüssel aus ihrer Handtasche gefischt hatte, hatte er behauptet, ein Ersatzteil besorgen zu müssen, und war schnurstracks zum nächsten Schlüsseldienst gefahren. Anschließend hatte er die Schlüssel in ihre Handtasche zurückgelegt und die Heizung mit dem »Ersatzteil« repariert, das er zuvor ausgebaut hatte. So simpel. So leicht. Und genauso leicht öffnete er jetzt die Tür.
Er zog seine Stiefel aus, versteckte sie hinter einem Stapel Gartenmöbel und tappte auf Socken in Acacias Zuhause. Verschiedene Gerüche umhüllten ihn: kalter Kaffee, eine dunkle Pfütze in der Glaskanne der Kaffeemaschine; verschiedene Düfte von den Duftkerzen, die überall in den Zimmern verteilt waren; selbst ein Hauch ihres Parfums hing in der Luft.
Er griff in seine Jackentasche, zog ein kleines Glasfläschchen heraus und schüttete das Puder in den gemahlenen Kaffee, der auf einem Regal neben der Kaffeemaschine stand. Dann – genau wie
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