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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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sprachen. Mallory kriegte kein Wort heraus, aber McKenzie sagte ein Kindergebet auf, das sie offenbar für diesen Anlass gelernt hatte.
    Das Essen schmeckte köstlich, der Truthahn war saftig, die Süßkartoffeln ein Gedicht, aber trotzdem konnte Alvarez das Ganze nicht richtig genießen.
    Als Hattie das Dessert servierte und Grayson zuckersüß anstrahlte, tastete sie verstohlen nach ihrem Handy und drückte heimlich eine Taste, die es zum Klingeln brachte. Mit vorgetäuschtem Unmut zog sie das Telefon aus der Tasche und meldete sich: »Alvarez.« Dann schob sie mit besorgtem Gesicht ihren Stuhl zurück, stand auf und ging in die Diele. »Ja? Ist gut … Verstanden … Ja, selbstverständlich …« Nach etwa drei Minuten kehrte sie ins Esszimmer zurück. »Es tut mir leid, ich muss los«, sagte sie. »Bleiben Sie sitzen. Ich hole mir meinen Mantel selbst.«
    »Ärger?« Grayson war bereits aufgestanden.
    »Nichts Ernstes.« Zumindest das war nicht gelogen.
    »Dann bleiben Sie doch noch zu Kaffee und Pie«, bat Hattie, die vorbildlich geschwungenen Augenbrauen besorgt gekräuselt. McKenzie ahmte den Ausdruck ihrer Mutter nach, während Mallory probehalber einen Finger in die Schlagsahne tauchte, die auf ihrer warmen Kürbis-Pie schmolz.
    »Es tut mir leid, das geht wirklich nicht. Vielen Dank fürs Essen. Es war großartig.« Alvarez wich Graysons Blick aus. Sie, die stets Geradlinige, hasste es, Ausflüchte zu Hilfe zu nehmen.
    Grayson folgte ihr in die Diele und nahm ihren Mantel von einem Garderobenhaken neben der Tür. »Was immer es sein mag – kann es nicht warten?«
    »Ich glaube nicht.«
    Er fasste sie beim Ellbogen. »Was ist denn los?«
    »Etwas mit den Laboranfragen und Berichten ist durcheinandergeraten – ein ganz schöner Schlamassel.« Er ließ sie los. Fast hätte sie vor Erleichterung aufgeseufzt. »Wie ich schon sagte: nichts Ernstes. Ich will das Ganze nur sofort in Ordnung bringen.« Er half ihr in den Mantel. Plötzlich kam sie sich albern vor. Sie griff nach ihrem Schal, der ebenfalls an dem Garderobenhaken hing, und öffnete gleichzeitig die Haustür. »Vielen Dank für die Einladung. Das Essen war unglaublich gut«, sagte sie und eilte hinaus zu ihrem Wagen.
    Beim Jeep angekommen, warf sie einen Blick über die Schulter und sah, dass Grayson noch immer auf der Schwelle stand und ihr hinterherblickte.
    »Dan?«, ertönte Hatties gedämpfte Stimme aus dem Esszimmer.
    Alvarez steckte energisch den Schlüssel ins Zündschloss. Der Motor erwachte zum Leben, die Scheibenwischer fegten den Schnee beiseite, der sich schon wieder auf der Windschutzscheibe angesammelt hatte. Sie setzte zurück und trat aufs Gas. Im Rückspiegel sah sie, wie sich die Tür von Graysons Blockhaus schloss. Das warme Licht war verschwunden, sie war allein in der dunklen, kalten Winternacht.
    Enttäuschung machte sich in ihrem Herzen breit. Was hatte sie erwartet?, schalt sie sich selbst. Ein intimes Dinner zu zweit mit dem Sheriff, bei dem sie ihren mitgebrachten Wein tranken und sich womöglich sogar küssten?
    Der Gedanke war mehr, als sie im Augenblick verkraftete. Sie bog in die Hauptverkehrsstraße ein, nur um hinter einem Schneepflug stecken zu bleiben, der gemächlich den Schnee an den Straßenrand schob und mit seiner gewaltigen Schaufel über die Eisschicht schabte.
    Alvarez bremste auf fünfzehn Meilen pro Stunde ab und nahm sich vor, nie wieder eine solche Dummheit zu begehen.
     
    Sie war noch immer nicht zu Hause.
    Das konnte er an den nicht vorhandenen Wagenspuren erkennen und an den Lichtern, die in einem bestimmten Abstand gemäß der Zeitschaltuhr an- und ausgingen. Die Schreibtischlampe im Arbeitszimmer schaltete sich um fünf Uhr morgens ein, die Tischlampe unten um halb vier nachmittags. Immer pünktlich, Tag für Tag.
    Andere Lichtpfützen waren durch die nackten Zweige der umstehenden Bäume nicht zu erkennen. Im Frühling und im Sommer war ihr Haus auf dem Gelände der ehemaligen Farm ihrer Großeltern von der Straße aus nicht zu sehen, doch um diese Jahreszeit trugen die Pappeln, Espen und Traubenkirschen keine Blätter und boten freie Sicht.
    Er war vorsichtig gewesen, da er nicht wusste, ob sie heute noch nach Hause zurückkehren würde; sie sollte nicht durch seine Fußabdrücke im Schnee auf ihn aufmerksam werden. Dennoch war er hier, denn auch wenn ihm ein Überfall im Augenblick vermutlich mehr Aufmerksamkeit bescheren würde, als ihm lieb war, wollte er eine günstige Gelegenheit

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