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Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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schöne Dienstwohnung in Föhrden, bis zum letzten Kriegswinter
hatte die Frau des Weichenstellers bei ihnen saubergemacht. Inga sah sich um – die eleganten Möbel paßten nicht ins Haus des toten Onkels; nach dem Zusammenbruch hatte er ihnen Unterschlupf gewährt. Die Kollegen waren Erik immer noch zugetan, aber als Nichteinwandfreier durfte er unmöglich Bahnhofsvorsteher bleiben. Drei Tage nach der Kapitulation waren sie in sein Büro gekommen und hatten es ihm beigebracht. Im niederen Dienst hätte er weitermachen können, lehnte es aber ab, sich zurückstufen zu lassen. Nachdem er aus dem Gefängnis freikam, blieb als einzige Möglichkeit die Sache mit seinen Augen. Bei der Stärke von Eriks Dioptrien glaubten sogar die Engländer, daß er arbeitsunfähig war. Mit achtundvierzig ging Ingas Vater in den Ruhestand.
    Henning fragte, was Erik mit der vielen freien Zeit anfangen werde. Der Vater antwortete, er sei der Reichsbahnverwaltung dankbar, die Frührente erwirkt zu haben, aber es werde noch lange dauern, bis er in der Nähe von Bahngeleisen spazierengehen könne.
    Kochen, überlegte Inga, machte dem Vater Freude und der Garten, vor allem aber, Marianne auf Händen zu tragen.
    Â»Wir haben ja das Auto!« überging Henning die wehmütige Stimmung. »Was unternehmen wir heute?« Er trank den dritten Likör.
    Â»Mußt du nicht zur Familie ?« Marianne sprach das Wort aus, als sei Hennings Familie ein unterentwickelter Negerstamm.
    Er wollte eben von dem Ausflug erzählen, den er am Vortag mit den Jungs gemacht hatte, als ein lautes Zischen den Vater in die Küche stürzen ließ – Wasser spritzte über den Herd. Inga nahm Hennings Hand. Mit diesem schnellen Blick, der sie an einen Kater erinnerte, folgte er ihr auf den Balkon.
    Â»Ich möchte lieber mit dir allein sein«, sagte sie.
    Â»Nur wir beide?« Er drückte ihre Finger, daß es schmerzte. »Gut, fahren wir zu zweit ins Grüne.«
    Ihr war unwohl bei der Vorstellung – allein mit Henning im Freien; seine Freude war ihr zu wild. Im Kofferraum lag die Decke;
an einem Tag wie diesem schien es natürlich, sich darauf ins Gras zu betten. Sie hatten es schon einmal getan, ein Winter lag dazwischen, am Waldrand hatten sie Rast gemacht, gegessen und Bier getrunken. Henning hatte Ingas Knie gestreichelt, ihre Waden geschüttelt, ohne Hemd war er in der Herbstsonne gelegen. Bei der Berührung ihrer Füße wurde sie sehr aufgeregt, er hielt ihre Taille fest, sie schaute in seine geblendeten Augen und bewegte das Bekken. Plötzlich hatte er sie zur Seite geschoben, sich weggedreht und seine Hose gerichtet.
    Sie tat, als betrachte sie die Narzissen im Garten, überlegte gleichzeitig, wo es am ungefährlichsten sei. Inga erzählte zögernd, vergangene Nacht bei einer Spielpartie zugeschaut zu haben, als Kellnerin hätte sie sich etwas dazuverdient.
    Â»Die Eltern glauben allerdings –« Sie sah Henning an, er war für Heimlichkeiten geschaffen.
    Â»Gut«, grinste er und schaute über ihre Schulter ins Zimmer. Gerade wurden die Klöße auf den Tisch gestellt.

    Sie fuhren zwischen Wiesen, der Himmel schimmerte hell, außer dem Motorgeräusch war es so unwirklich ruhig, als hätten die schweigenden Glocken das Land in die Stille mitgerissen.
    Â»Eine Spielpartie ?« fragte Henning.
    Inga dachte an die Heimfahrt mit dem unheimlichen Gabor, der Goldring an seinem Finger hatte beim Schalten ein schabendes Geräusch gemacht. Die elegante Frau war vor Inga ausgestiegen, an einem Tor mit hohen Bäumen, das Haus dahinter war nicht zu sehen gewesen.
    Â»Du hast bestimmt eine Ahnung, wer diese Leute sind«, sagte Henning. Engländer in Zivil, antwortete sie, einer ein höherer Dienstgrad. Er hielt und stieg aus. So weit Inga schaute, nur Weiden, kein Waldstück, kein entfernter Kirchturm, einzig der Weg, der sich am Horizont verlor.
    Â»Laufen wir ein bißchen?«

    Erleichtert stellte sie fest, daß die Decke im Kofferraum blieb.
    Er legte den Arm um ihre Schultern. »Nicht zu kalt?«
    Sie liefen über Schotter, bis Henning auf einen Pfad bog, den man zwischen dem jungen Gras kaum sah, er schritt kräftiger aus.
    Â»Dein Vater hat mir von neulich abend erzählt. Du sollst die ganze Nacht fort gewesen sein.«
    Die Wiese war feucht, Inga spürte die Nässe durch ihre Sohlen

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