Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
Vom Netzwerk:
die Platte gelegt. Die Siphonflasche hatte sie aufs Regal gestellt, die Patrone auf die Halterung gesteckt und festgedreht, bis das Gas sich zischend ins Wasser ergoß. Fünf saubere Gläser standen bereit, dazu fünf gefaltete Servietten. Inga hatte hinausgespäht, ob niemand kam, sich mit einem feuchten Tuch gewaschen und umgezogen. Die Luft war frisch gewesen, sie hatte das Licht gelöscht und den Leutnant auf der Schwelle erwartet. Das Geräusch seiner Krücken war zu hören gewesen, bevor sie ihn ausmachen konnte; er brauchte lange über die Piste.
    Wie aus einem Magazin, ging Inga durch den Kopf, tatsächlich hätte die elegante Frau einer Zeitschrift entstiegen sein können. Die Herren warteten, bis sie sich setzte. Ihre schwarze Zigarette lag erkaltet auf dem Tischrand, sie erlaubte dem Flüsterer, ihr eine neue anzuzünden.
    Â»Morgen kommt die Lieferung «, sagte er, während er sich neben sie beugte. Ȇber welchen Sektor, erfahre ich in letzter Minute.«
    Â»Nicht jetzt.« Die Frau griff nach den Karten.
    Â»Die kleinen Kerle sind bei bester Gesundheit«, grinste er.
    Â»Gabor –« Die Frau deutete mit den Augen zu Inga.
    Der Flüsterer steckte das Feuerzeug ein, die Männer setzten sich gleichzeitig. Die Frau mit dem unechten Haar ließ die Karten durch ihre Hände gleiten, wie Schmetterlinge landeten sie vor den Herren. Die Vier kannten einander, die Frau und der Leutnant schienen gute Freunde zu sein. Sie platzierten hohe Einsätze
und spielten erbittert gegeneinander; verlor sie, fluchte die Dame, er küßte ihr dann die Hand.
    Gabor, der Flüsterer, behielt Inga häufig im Blick; er sprach fließend zwei Sprachen, war gut gekleidet, er spielte Karten mit den Engländern. Woher kam er?
    Â»Wir sollten Inga mitspielen lassen«, sagte er plötzlich auf englisch. Und zu ihr gewandt: »Was hältst du davon?«
    Â»Ich weiß nicht.« Es durchfuhr Inga, sie hatte Englisch geantwortet.
    Â»Soviel versteht sie«, lachte Gabor in die Runde.
    Â»Ich habe kein Geld.« Sie fühlte sich blamiert.
    Der Flüsterer schob ihr ein paar Spielsteine zu.
    Â»Und wenn ich verliere?«
    Â»Dann bist du in meiner Schuld«, antwortete er gelassen.
    Sie machte eine Bewegung nach vorne, spürte die Hand des Leutnants unterm Tisch, er hielt sie zurück.
    Â»Laßt sie in Ruhe«, sagte die Frau und sah Hayden an. »Du hast sie bestimmt längst vergiftet.«
    Der Flüsterer teilte aus.
    Inga war vergiftet. An diesem Tisch hatte sie dem Leutnant gegenüber gesessen, Spielkarten in der Mitte, vor ihr ein Stapel Jetons. Sie hatte abhebenwollen. »Die Karten sind unwichtig.« Damit hatte er die Hand auf das Päckchen gelegt. »Gibst du ihnen zu große Bedeutung, wachsen sie sich zu Feinden aus. Dann sind es fletschende Buben, verschlagene Damen, das As wird zum Grabstein. Die Karten sind nichts; nur ihre Figuren ergeben Musik. Spiel sie, dann machen sie, was du willst.« Sie hatte ausgeteilt, spürte Flecken auf ihren Wangen, das Kleid spannte, sie verlor. Bei der nächsten Partie war ihr Blatt zu niedrig, um mitzugehen, der Leutnant strich die Jetons ein, sie wollte seine Karten sehen, er würdigte sie keiner Antwort. Als beide den Wagen durch die Dunkelheit kommen hörten, hatte Inga fast alles verloren. Während die Autotüren zuschlugen, hatte Hayden die Krücken unter die Achseln geklemmt. »Leute mit Macht sind einfache Gegner«, sagte er bei der Tür. »Sie wollen den
Sieg sofort. Mit einem hohen Blatt zu verlieren, um später mit einem niedrigen zu gewinnen, begreifen sie nicht.« Er hatte geöffnet, die Frau im Kostüm war als erste eingetreten.
    Mißmutig putzte der Dicke die Brille am Tischtuch, der Flüsterer strich den Gewinn ein.
    Von draußen wurde geklopft. Alle verharrten, einer nach dem andern sah den Leutnant an, es klopfte wieder. Der Brillenträger machte ihm ein Zeichen, zu antworten. Hayden fragte, wer draußen sei. Posten eins auf Streifengang, kam es vorschriftsmäßig. Ein beruhigendes Nicken des Leutnants, er nahm die Krücken und zeigte auf den Tisch. Jeder raffte seine Jetons an sich, Inga schob die Karten zusammen und steckte sie ein.
    Â»Was ist mit ihr?« Die Frau wies auf Inga.
    Der Leutnant winkte, sie solle in die Ecke hinter der Tür verschwinden; schließlich öffnete er. Zwischen Tür und Angel sah Inga

Weitere Kostenlose Bücher