Zwischen den Gezeiten
erhob sich auf die Zehenspitzen und küÃte ihn; seine Verwirrung, endlich öffnete er den Mund. An den Lippen zog sie ihn rückwärts, lehnte sich gegen den Schreibtisch, Henning trat zwischen ihre Schenkel; wie vorsichtig
er mit ihrer Wäsche umging. Sie küÃten sich, Inga umschlang ihn mit dem Bein, griff in sein Haar. Er trug sie durchs Zimmer, sank in der Nähe des Ofens auf einen Stuhl, sie setzte sich auf ihn. Henning, halb angezogen, schnaufte gegen ihren Bauch. Seine Hände glitten über sie hin, als konnten sie nicht glauben, daà Inga den weiten Weg zu ihm gemacht hatte. Diesmal war er nicht vorsichtig, packte ihre Hinterbacken, brachte den Stuhl in Bewegung, rià den Oberkörper zurück und starrte sie schreiend an. Lachend küÃte sie ihn, er lieà die Arme sinken, Holz knackte im Ofen. In der nächsten Sekunde war Sorge in Hennings Gesicht, hilflos versuchte er aufzustehen, Inga rückte ab, er kam hoch, schaute auf die Bescherung und schob die Hose darüber. Bei alledem hatte er das Kleid vergessen, immer noch hing es auf seiner Schulter, nun breitete er es zum Trocknen über den Stuhl. Sie setzten sich auf den Tischrand, Inga streckte die Beine und spreizte die Zehen dem Ofen entgegen. Das Leuchten hinter der Klappe, der harte Tisch, Hennings Schulter, er redete über die Lage der Firma, das schwierige Alter der Jungs, Trudes Gesundheit. Allmählich verstand sie â er sprach von der Unmöglichkeit, unausführbaren Plänen, Hoffnungen, die er nicht zu erfüllen verstand. Inga wäre bloà gerne dagesessen, gedankenlos in der Freude, hätte am liebsten nichts gewuÃt oder erfahren, doch Henning zwang sie zurück, redend konstruierte er Hindernisse, beleuchtete Schwierigkeiten.
Das grün gestrichene Türchen stand angelehnt, ein seltsames MaÃ, dachte Inga, breiter als hoch, massive Zapfen standen daraus hervor.
Nur Sachwerte zählen, hatte Henning einmal Trude zitiert â in dem Stahlschrank lieÃen sich keine Sachwerte lagern, weder Brot noch Speckseiten, kein Wintermantel â, und doch wirkte er so uneinnehmbar, daà er Begehrlichkeit schuf. Hennings Schlüssel hing daran, wie verwaltete er den Inhalt, warum nachts? Inga stimmte zu, als er ihr anbot, Likör zu holen.
»Holunder«, rief er im Hinausgehen, das Hemd hing aus der Hose.
Sie stemmte die Hände auf den Tischrand, ein Sprung, und sie hockte vor dem Tresor. Der Schlüsselbund machte ein helles Geräusch, sie brachte ihn zum Schweigen. Schwer schwang das Türchen auf, das schwache Licht lieà dahinter nichts erkennen. Inga griff hinein, hielt Papier zwischen den Fingern, enttäuscht zog sie ein Bündel brauner Scheine hervor. Gold und Silber, fiel ihr ein, Eriks alte Operettenmelodie â während die eine Hand die Eisenwände entlangglitt, schob die andere das braune Bündel in Hennings Jackentasche.
Sein Schatten fiel ins Zimmer, leicht kam Inga hoch, ihr Knie schob die Ãffnung zu, zwei Schritte, und sie war am Fenster.
»Hast du drauÃen etwas gehört?« Flasche und Gläser erhoben, schon wieder die Sorge in seinem Gesicht.
Inga zog das Sakko enger, preÃte den Packen mit dem Ellbogen an sich, Henning goà ein, sie tranken, der Holunder schmeckte ihr nicht.
»Ich fahr dich am besten gleich heim.« Er bemerkte ihren Blick zum Kleid, befühlte die trockenen Ränder. »Ist gleich soweit.«
Sie legte die Jacke beiseite, zog sich an und verfrachtete, während Henning die Lampen löschte, das Geld in die Tasche ihres Kleides. Er versperrte Geldschrank und Schubladen, sah sich um, knipste zuletzt die Deckenbeleuchtung aus. Inga steckte die Hand ein, damit die Beule weniger auffiel. Sie war erleichtert, daà Henning beim Hinausgehen nicht den Arm um sie legte. Zum ersten Mal vergaà sie die Chrombuchstaben zu streicheln, bevor sie in sein Auto stieg.
14
W ährend der Feier wurde sie krank. Es war früher Nachmittag, auf dem Tisch lag der graue Brief, Eriks Rentenbestätigung â es würde weniger sein als erwartet, aber lebenslang. Mutters unbändige Erleichterung überraschte Inga. Erst nach Eriks Bemerkung begriff sie, Marianne hatte noch nie arbeiten müssen; das Gespenst schien auch diesmal an ihr vorbeizugehen. Vater hatte den Rock des Bahnhofsvorstehers längst weggehängt, nun holten sie ihn noch einmal hervor und prosteten der Uniform zu.
Das
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