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Zwischen den Sternen

Titel: Zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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und Dickory hätten vor, meine Eltern zu töten. Dann kam ich irgendwie nicht mehr mit.
    Allerdings sollte man bedenken, dass ich einen sehr langen Tag gehabt hatte.
    Ich hatte Enzo gute Nacht gesagt und mich dann nach Hause geschleppt. Dort war ich intellektuell kaum noch in der Lage, das Steinmesser in einer Schublade zu verstecken und Babars Leckangriff auf mein Gesicht abzuwehren, bevor ich auf meine Pritsche sank und in Bewusstlosigkeit fiel, ohne mich vorher ausgezogen zu haben. Irgendwann kam Jane aus der Klinik nach Hause, küsste mich auf die Stirn und zog mir die Stiefel aus, aber ich erinnerte mich nur daran, etwas gemurmelt zu haben, wie glücklich ich war, dass es ihr wieder besser ging. Zumindest hatte ich daran gedacht, so etwas zu sagen, aber ich weiß nicht, ob mein Mund es tatsächlich artikulierte. Ich glaube ja. Aber ich war wirklich sehr müde.
    Wenig später kam Vater herein und rüttelte mich vorsichtig wach. »Komm, meine Kleine«, sagte er. »Du musst etwas für mich tun.«
    »Ich werde es morgen früh tun«, murmelte ich. »Versprochen!«
    »Nein, mein Schatz«, sagte er. »Du musst es unbedingt jetzt
tun.« Sein sanfter, aber beharrlicher Tonfall verriet mir, dass es wirklich etwas Wichtiges war. Also erhob ich mich, wenn auch murrend, um meine Würde zu wahren. Wir gingen ins Wohnzimmer unseres Bungalows, wo Vater mich zur Couch führte, auf die ich mich setzte. Dann versuchte ich mich in einem halbbewussten Zustand zu halten, damit ich einfach weiterschlafen konnte, nachdem wir erledigt hatten, was auch immer wir zu erledigen hatten. Vater setzte sich an seinen Schreibtisch. Mutter stand neben ihm. Ich lächelte sie verschlafen an, aber sie schien es gar nicht zu bemerken. Zwischen mir und meinen Eltern standen Hickory und Dickory.
    Vater wandte sich an Hickory. »Können Sie beide lügen?«, fragte er ihn.
    »Wir haben Sie noch nie angelogen«, sagte Hickory.
    Selbst in meinem halbwachen Zustand begriff ich, dass es keine direkte Antwort auf die gestellte Frage war. Vater und Hickory diskutierten eine Weile hin und her, welchen Wert Lügen für die Kommunikation hatten (meiner Meinung nach waren sie hauptsächlich dazu da, sich nicht um blöde Kleinigkeiten streiten zu müssen, wenn man sie mit einer Lüge ganz einfach aus der Welt schaffen konnte, aber mich fragte ja keiner). Dann forderte mein Vater mich auf, Hickory und Dickory zu ermahnen, seine Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, ohne zu lügen oder auszuweichen.
    Das machte mich endgültig wach. »Warum?«, fragte ich. »Was ist los?«
    »Bitte tu es einfach, Zoë«, sagte Vater.
    »Na gut«, sagte ich und wandte mich an Hickory. »Hickory, bitte beantworte alle Fragen meines Vaters, ohne ihn anzulügen oder auszuweichen.«

    »Ich werde tun, was du wünschst«, sagte Hickory.
    »Auch Dickory«, sagte ich.
    »Wir beide werden wahrheitsgemäß antworten«, sagte Hickory.
    »Danke«, sagte Vater zu ihm und wandte sich dann an mich. »Du kannst jetzt wieder schlafen gehen, Schatz.«
    Das ärgerte mich. Ich war ein menschliches Wesen und kein Wahrheitsserum. »Ich will aber wissen, was hier los ist.«
    »Darüber musst du dir nicht den Kopf zerbrechen«, sagte Vater.
    »Du forderst mich auf, Hickory und Dickory zu befehlen, dir die Wahrheit zu sagen, und dann willst du mir erzählen, dass es nicht weiter von Bedeutung ist?« Meine lahmgelegten Synapsen brauchten einige Zeit, um wieder warm zu werden, denn noch während ich es sagte, wurde mir klar, dass ich deutlich mehr Interesse am Thema zeigte, als im Augenblick von meinen Eltern gewünscht war.
    Als wollte sie diese Vermutung bestätigen, reckte Jane die Schultern. »Zoë!«, sagte sie.
    Ich rekalibrierte mich. »Außerdem kann es gut sein, dass sie dich doch anlügen, wenn ich gehe«, versuchte ich es mit einem vernünftiger klingenden Argument. »Sie sind emotional in der Lage, dich anzulügen, weil es ihnen nichts ausmachen würde, dich zu enttäuschen. Aber mich würden sie nie enttäuschen wollen.« Ich wusste nicht, ob es stimmte, was ich behauptete, aber es kam mir plausibel vor.
    Vater wandte sich an Hickory. »Ist das wahr?«
    »Wir wären bereit, Sie anzulügen, wenn wir es für nötig halten würden«, sagte Hickory. »Zoë würden wir niemals anlügen.«

    Damit stellte sich die interessante Frage, ob Hickory das sagte, weil es wirklich stimmte, oder ob er mich nur unterstützen wollte, und, sofern letztere Vermutung zutraf, wie der tatsächliche Wahrheitsgehalt

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