Zwischen den Zeilen
meine Herz und machen mich stumm.
»Hast du dich hübsch gemacht?« Er klingt amüsiert und ich fühle mich ertappt. Hab ein letztes Mal versucht, alles von mir abzuwaschen. Auch ihn… aber das funktioniert nicht. Jemanden, den man liebt, kann man nicht abwaschen. Also hab ich getan, was ich kann... »Hab geduscht«, sage ich leise und bleibe ein bisschen unschlüssig im Zimmer stehen. Weil ich nicht so recht weiß, was ich ihm jetzt sagen soll. Und auch nicht, was er jetzt von mir erwartet.
»Sollte ich auch«, stellt er fest, sieht an sich hinab und lässt die Tasche mit seinen Sachen zu Boden fallen. »Außerdem hab ich geraucht.«
»Macht nichts.« Meine Stimme ist tonlos. »Geh schon mal raus auf den Balkon, ich hol uns eine Flasche Wein.« Wie ferngesteuert gehe ich rüber in die Küche. Er sieht mir nach und ich kann seinen Blick, der mir folgt, beinahe spüren. Entgegen meiner Aufforderung bleibt er stehen und beobachtet, wie ich zwei Weingläser aus dem Oberschrank und die Flasche von der Arbeitsplatte nehme. Ich muss zweimal ansetzen, mit zittrigen Fingern, deren Nägel ich so lange geschrubbt habe, bis ich nichts mehr gefühlt hab. Entkorke die Flasche und greife dann nach den Gläsern. Ihr Klirren schneidet die Stille, als sie durch meine Unachtsamkeit zusammenstoßen, während ich die Stiele zwischen meine Finger nehme. Er ist vorausgegangen auf den Balkon. Und mit jedem Schritt fällt es mir schwerer, ihm zu folgen.
»Wie war dein Tag?« Ich lasse mich, so weit von ihm entfernt wie möglich, auf die Ecke des Polsters sinken und stelle Flasche und Gläser auf dem Beistelltisch neben den brennenden Windlichtern ab.
»Ging so«, gibt er zu und rückt ein Stückchen zu mir heran. Ich kann die Nähe seines Knies spüren an meinem Bein. Wortlos schenke ich Wein ein und reiche ihm ein Glas, bemüht, ihn nicht zu berühren. Ich schaffe es fast. Es ist nur der Bruchteil einer Sekunde, in der meine Fingerkuppen an seinen sind. Und ich würd ihn so gerne an mich ziehen und ihn bitten, dass er mir verzeiht.
»Gut!«, stellt er fest, nachdem er am Glas genippt hat und den Wein dann betrachtet. Ich nehme ebenfalls einen Schluck, bevor ich das Glas zurück auf den Beistelltisch stelle.
»Wie war die Party?«, frage ich in die Stille.
»Frag nicht«, sagt er und macht eine abwinkende Handbewegung.
»Okay.« Verlegen weiche ich seinem Blick aus, starre auf das weiße Polster und drehe mein Weinglas am Stiel in meiner Hand.
»Schätze, wir sollten wohl reden?« Er nimmt einen weiteren kleinen Schluck, stellt sein Glas zu Boden und legt dann seine Hand auf mein Knie. Ermutigend streicht er mit dem Daumen über den Stoff meiner Jeans.
»Hm.« Ich seufze nickend. Immer noch weiß ich nicht, wie ich's ihm sagen soll.
»Also? Was wolltest du mir sagen, Ben?«
»Wegen der Sache mit dem Test… ich…«
»Sorry.« Er lächelt schuldbewusst, als sein Handy mich unterbricht. »Ich stell das eben aus…« Umständlich fasst er nach hinten in seine Hosentasche und zieht das Telefon hervor.
»Nein, lies ruhig«, fordere ich ihn auf, um Zeit zu gewinnen, als es offensichtlich eine SMS ist. Aber die Worte in meinem Kopf verändern sich nicht.
»Nicht so wichtig«, wiegelt er nach einem kurzen Blick aufs Display ab. »Nur Annika, eine Kollegin. Sie entschuldigt sich für ihren neuen Idioten-Freund, der meinen Traumjob bekommen hat. Ich hab's heute erfahren und er hat mir einen ziemlich blöden Spruch reingedrückt.«
»Das tut mir leid«, sage ich leise und lege meine Hand auf seine Schulter, während er das Handy ausschaltet und dann beiseite legt .
»Muss es nicht. Ich komm schon klar«, behauptet er tapfer. »Ich hab mir jetzt nicht die größten Chancen ausgerechnet. Und mit Simon kann ich es aufnehmen. Du solltest mal die Artikel lesen, die er schreibt. Aber na ja, ich meine, die Nannen hat mich abgelehnt, vielleicht sollte ich mich einfach damit abfinden, dass jeder Analphabet besser ist als ich. Ich meine, der Kerl ist echt ein Vollpfosten. Klassischer Fall von Beruf verfehlt… Idiot, echt… Und die bieten ihm das Volontariat an... aber hey… Was soll's….«
»Oh…« Ich schlucke. Versuche es verzweifelt, auch wenn da nichts ist in meinem Mund. Meine Kehle ist wie zugeschnürt und in meiner Brust wird es eng. Mein Brustkorb gehorcht mir nicht und für einen Moment kann ich nicht atmen. Weil da eine überdimensionale Faust ist, die mein Herz zerquetscht, es zermalmt und in vielen kleinen Stückchen auf
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