Zwischen den Zeilen
Jungs.
Und jetzt stehe ich auf Ben. Sehr sogar. Seine starken Arme und diese Hände, die ein bisschen rau sind und mich wahnsinnig machen. Wenn er mich im Nacken berührt oder seine Hand auf meinen Rücken legt.
Es gibt nur wenige, die sich so anfühlen. Als sei da was Besonderes, das man nicht beschreiben kann. Ich hatte das lange nicht mehr. Und dann… war es an der Alster einfach da...
»Was fährst du eigentlich?«, frage ich, einfach, um irgendwas zu sagen, denn eigentlich kann ich mich nur für Autos begeistern, die er sich vermutlich, genau wie ich, nicht leisten kann. Aber wenn ich noch eine Weile darüber nachdenke, wie toll sich alles mit ihm anfühlt und was ich mir so wünsche, bin ich nicht sicher, ob wir es bis nach Hause schaffen.
Im Moment würde ich mir nämlich unter anderem grade wünschen, er wäre mit dem Lieferwagen vom Blattgold da. Das wäre mal ein Wagen im mittleren Preissegment, für den ich mich, rein situativ, dann doch begeistern könnte, auch wenn er vermutlich nicht allzu bequem ist. Aber vielleicht gibt es Decken im Laderaum und die ein oder andere Stellung klappt ja bekanntermaßen auch so. Wobei man natürlich auch in einem normalen Auto Sex haben kann, aber das finde ich irgendwie nervig.
Und ich glaube, es ist auch kein übermäßig toller Einstand. Wobei man hier im Parkhaus wenigstens nicht Gefahr läuft, dass ständig jemand vorbeiläuft und meinen nackten Hintern sehen kann, der sich hinter der Windschutzscheibe rhythmisch auf und ab bewegt. Außerdem bin ich eigentlich auch zu groß für diese Stellung auf dem Beifahrersitz. Wenn es richtig zur Sache geht, schlägt man sich dabei nämlich gerne mal den Kopf an. Ist jedenfalls die Erfahrung, die ich in meinem Golf gemacht hab.
»Ich steh da drüben«, antwortet er und weist mit dem Kopf in die entsprechende Richtung. Aber das Parkhaus ist ziemlich voll, also ist es nicht grade eine wertvolle Information.
Weit und breit kein Lieferwagen. Ich werd mich also noch einen Moment gedulden müssen, bis ich über ihn herfalle.
»Der blaue VW.« Beinahe zeitgleich drückt er auf die Fernsteuerung. Die Lichter des dunkelblauen Beetles ein paar Meter vor uns blinken kurz auf.
»Wow!«, entfährt es mir und wenn ich nicht schon total in ihn verknallt wäre, dann wäre ich es spätestens jetzt, weil er dieses Auto fährt. Ein paar Autos im mittleren Preissegment finde ich nämlich doch ganz sexy. Beetle Cabrios gehören definitiv dazu. Und das, vor dem wir hier grade stehen, ist auch, was die Farbe angeht, ziemlich perfekt: Blau. HSV-Blau. Liebe auf den ersten Blick sozusagen. Denn der HSV und ich, das ist ein Kapitel für sich. Ein anderes als Hunde, Gott, Fernando Torres und Gauloises , denn da hat sich der winzig kleine Teil meines Genoms, der nicht die Schwulensache codiert, durchgesetzt. Ich steh auf den HSV. Obwohl ich schwul bin und mittlerweile mitten in St. Pauli wohne. Ist mir egal. Und ich steh auf dieses Auto. Sollte ich gleich irgendwo einen Aufkleber mit dem Vereinslogo entdecken, denke ich vermutlich ernsthaft drüber nach, ihm jetzt und hier einen Heiratsantrag zu machen.
»Der ist toll«, sage ich, klinge beinahe ehrfürchtig und muss an mich halten, nicht über das blau lackierte Metall und das runde Rücklicht zu streichen. Ich wollte schon immer mal in einem fahren.
»Ich hatte bis vor ein paar Jahren einen alten Käfer, Gerd hatte ihn mit mir zusammen restauriert, aber dann war er nicht mehr zu reparieren, die Ersatzteile sind mittlerweile schwer zu bekommen«, sagt er und bedauert es wohl ein bisschen, während ich mich frage, wer zur Hölle jetzt schon wieder Gerd ist. Vielleicht sollte ich nachfragen. Dann könnte ich, wenn ich schon dabei bin, auch gleich mal abklären, was das mit seinem Chef jetzt eigentlich ist.
»Ein Freund von dir?«, frage ich also möglichst unverbindlich.
»Ja« Er nickt. » War ein Freund. Hatte mit Daniel den Laden. Ist letzten September gestorben. Sie waren ewig zusammen, Daniel und er.«
»Oh!« Shit! Willkommen im Fettnäpfchen. Und plötzlich erinnere ich mich vage, dass auf dem Lieferwagen tatsächlich ein Gerd stand. Ich hatte kurzzeitig die Befürchtung, dass das vielleicht Ben sein könnte und ich auf jemanden stehe, der Gerd heißt. Und obwohl Daniel wohl mein Stichwort wäre, beschließe ich, nicht weiter nachzubohren, was das jetzt ist, mit ihm und seinem Chef.
Aber auf der anderen Seite will ich heute Nacht eigentlich mit ihm schlafen. Und ich mag altmodisch
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