Zwischen den Zeilen
Lücke gibt, verschwinden lässt. Die Sommersprossen auf seiner Nase und den Wangen, seine hohen Wangenknochen, seine schönen Lippen, sein dunkles Haar, die langen Wimpern und die blauen Augen…
***
»Was hast du denn für Karten?«, erkundige ich mich ein paar Minuten später. Inzwischen trägt er eine Sonnenbrille, hat den Arm auf dem Türrahmen gelegt und hält die Nase in den Fahrtwind.
»21B. Nicht die besten, aber für jemanden, der eigentlich für die anderen ist, wäre der Fanblock sowieso nicht die beste Idee.«
»Hätte mir nichts ausgemacht«, sage ich ehrlich. »Gibt ja keine Ausweiskontrolle.«
»Wie meinst du das?«
»Ich bin in Bremen geboren«, setze ich ihn in Kenntnis. Vielleicht nicht der günstigste aller Zeitpunkte. Bremen ist nämlich noch schlimmer als Pauli. Jedenfalls für einen HSV-Fan.
»Bremen? Ach du Scheiße, hättest du mir das nicht mal sagen können, bevor wir im Bett gelandet sind?«, fragt er prompt mit gespieltem Entsetzen.
»Hast du mir da gesagt, dass du auf den HSV stehst?«
»Du hast nicht gefragt«, verteidigt er sich.
»Du auch nicht. Und ich dachte immer, alle Schwulen hier in Hamburg stehen auf Pauli.«
»Das stimmt nicht. Es gibt einen offiziellen schwulen HSV-Fanclub. Außerdem stand ich schon auf den HSV, da wusste ich noch gar nicht, dass ich schwul bin«, erklärt er. »Meinen ersten Orgasmus, an den ich mich erinnern kann, hatte ich in meiner HSV-Bettwäsche. Nur um die Frage zu klären, was zuerst da war.« Er dreht den Kopf in meine Richtung und zieht die Nase ein bisschen kraus, um seine Brille wieder in die richtige Position zu bringen.
»Verstehe.« Ich muss lachen, schalte in den vierten Gang und fahre auf die Schnackenburgallee auf.
»Aus Bremen… ich wusste, du hast irgendwo noch einen Haken.« Fassungslos schüttelt er den Kopf, was seine Brille wieder zum Rutschen bringt.
»Tut mir leid«, sage ich. Aber eigentlich tut es das nicht. Und ich schätze, dass der Grund, wieso er mich am Ende verlässt, vermutlich nicht der ist, dass ich aus Bremen komme. Denn er hat keine Vorstellung davon, was mein wirklicher Haken ist.
»Ich schätze, ich komm drüber weg«, sagt er grade großzügig. »Niemand ist perfekt und hey… es ist nie zu spät.« Er zieht sich den Schal vom Hals, legt ihn mir um und mustert mich.
Es ist nie zu spät… und niemand ist perfekt... Kalendersprüche, bei denen ich, obwohl er nicht weiß, was er da sagt, kotzen könnte.
»Steht dir«, stellt er fest und sein Tonfall ist liebevoll, als er mit seiner Hand sanft meine Wange streichelt. »Wir kaufen dir nachher einen eigenen.«
»Lass mal«, brumme ich, verziehe gequält das Gesicht und kratze mich demonstrativ am Hals. Ich liebe ihn. Verdammte Scheiße!
***
»Wenn sie heute nicht endlich mal wieder gewinnen, wird es eng.« Inzwischen sind wir zu Fuß auf dem Weg in Richtung Stadion und er trägt seinen Schal zum Glück wieder selbst. Wir sind relativ spät, in gut zwanzig Minuten ist Anpfiff.
»Gehst du oft ins Stadion?«, will ich wissen, während wir uns zusammen mit ziemlich vielen Fans und anderen Zuschauern in Richtung der Eingänge schieben. Es ist viel los, jedenfalls kommt es mir so vor, denn die Schlangen an den Sicherheitskontrollen vor den Eingängen sind immer noch lang.
»Ungefähr einmal im Monat, je nachdem, wer spielt und wer Zeit hat«, erzählt Josh. »Ich hab ein paar Jungs, die auch Fans sind, und manchmal gehen wir zusammen. Oder wir treffen uns und schauen irgendwo in einer Kneipe die Auswärtsspiele an. Aber ich bin jetzt kein Hardcore-Fan. Und ich bemühe mich, mich da nicht so reinzusteigern, was mir allerdings deutlich leichter fällt, wenn sie öfter gewinnen als in dieser Saison«, gibt er zu.
»Wenn sie heute drei Punkte holen, sieht die Welt schon wieder anders aus«, versuche ich es mit Trost.
Grob weiß ich über die erste Liga schon Bescheid. Und ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass Bremen sich diese Saison recht gut geschlagen hat. Denn mein Pauli-Herz ist immer noch ziemlich grün-weiß. Wird es wohl auch immer bleiben.
»Außerdem seid ihr noch nie abgestiegen«, erinnere ich ihn.
» Absteigen ist ein sehr hässliches Wort«, sagt er und wirft mir einen vielsagenden Blick zu.
»Und ihr wart siebenmal in Folge in einem internationalen Wettbewerb«, schiebe ich nach.
»Stimmt«, sagt er und klingt beeindruckt. »Woher weißt du das?«
»Hab ich neulich irgendwo gelesen«, lüge ich. Denn eigentlich weiß ich
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