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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Cole
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es aus einer Reportage, die ich kürzlich zufällig im Fernsehen gesehen hab. Geschichte der Fußballbundesliga oder so.
    Ich sehe mir oft solche Sachen an. Meist kommen diese Reportagen tagsüber am Wochenende. Ich gucke, wenn ich frei habe, ziemlich wahllos alles, von dem ich glaube, dass es auch nur im Entferntesten mit Allgemeinbildung zu tun haben könnte. Dokumentationen über Geschichte, Natur, andere Länder, ihre Kulturen oder eben über traditionsträchtige Sportvereine wie zum Beispiel den HSV. Und ich sehe mir auch jeden Tag mindestens eine Nachrichtensendung an. Eigentlich läuft mein Fernseher beinahe ununterbrochen, jedenfalls dann, wenn ich alleine zu Hause bin. Ist ein bisschen wie Lesen. Und man weiß nie, wozu man es, neben dem Versuch, im Alltag nicht sofort als totaler Idiot aufzufallen, irgendwann mal braucht.
    Viele Leute sagen, dass Fernsehen dumm macht und man lieber ein Buch lesen sollte. Aber das stimmt nicht. Eine Menge Dinge weiß ich, weil ich irgendwas darüber im Fernsehen gesehen hab. Man muss einfach die richtigen Sachen ansehen. Und für mich gibt es ja keine andere Möglichkeit. Meistens sage ich dann irgendwann im Rahmen der Unterhaltung, ich hätte das mal gelesen. Anfangs ist es ein bisschen komisch. Vielleicht wie für einen Blinden, der sagt, ich seh mal nach . Aber man gewöhnt sich dran und irgendwann ist es so automatisiert, dass man es gar nicht mehr wirklich bemerkt.
     
     
     
     
    ***
     
    »Sorry, hätte besser sein können«, entschuldigt Josh sich wenig später für unsere Plätze. Sie sind ziemlich weit oben, kurz vor der Kurve. Links neben uns, hinter dem Tor, ist der Fanblock, in dem blau-weiße Fahnen wehen und aus dem man schon jetzt Sprechchöre und Fangesänge hören kann. Um uns herum sind zwar einige, die, genau wie er, Fan-Schals oder -Shirts tragen, aber es ist nicht so krass und insgesamt eher gemischtes Publikum.
    »Ist doch in Ordnung«, sage ich. Von hier oben hat man einen guten Überblick über das Spielfeld. Das Stadion ist beinahe voll besetzt, die Fans machen Stimmung und aus den Lautsprechern tönt Musik.
    Die Stadionuhr zeigt fünfzehn Uhr zwanzig, als Lotto King Karl auf einem gelben Podestkran nach oben gehoben wird und nach großem Begrüßungshallo die Mannschaft ankündigt. Auf der Leinwand unter dem Stadiondach fliegt ein Flugzeug des Hauptsponsors und die Fotos der Spieler sind hinter den Kabinenfenstern. Sie werden groß, wenn der entsprechende Spieler vorgestellt wird, und der ganze Volkspark, der ja eigentlich nicht mehr so heißt, grölt nach Ansage des Vornamens die Nachnamen mit. Auch unser Block. Selbst die beiden kleinen Jungs in den riesigen HSV-Trikots vor uns, die mit ihren Vätern hier sind und vermutlich, wenn überhaupt, in die Grundschule gehen. Alle… nur nicht ich.
    »Mach mit«, fordert Josh mich auf und knufft mich sanft in die Seite. Aber zum Glück schreit er dann einfach den Nachnamen von van der Vaart, der grade auf der Leinwand auftaucht. Den hätte ich vielleicht sogar erkannt. Dem Namen nach kenne ich auch ein paar andere Spieler, aber dummerweise kann ich ihre Gesichter nicht zuordnen. Diejenigen, deren Nachnamen ich nach der Ansage ihrer Vornamen kenne, rufe ich mit. Bei den anderen nippe ich ausweichend an meinem Bier.
    Dann ist es vorbei und ich glaube, er hat keinen Verdacht geschöpft. Ein Kind bringt den Ball und gibt ins Mikrofon des Sprechers auf dem Rasen seinen Tipp fürs Spiel ab.
    Natürlich tippt der Kleine auf den HSV. Josh seufzt ein leises Wär schön in mein Ohr und erntet dafür einen bösen Blick von einem der älteren Männer neben uns. Aber ich glaube, der gilt eher dem Anzweifeln des Ergebnisses als der Tatsache, dass er mir dabei so nahe kommt, dass eigentlich klar ist, dass wir ein Paar sind.
    Die Musik setzt ein und das Stadion singt Hamburg, meine Perle . Fahnen wehen und ich muss zugeben, dass eine ziemlich gute Stimmung ist. Auch Josh singt. Wobei… eigentlich murmelt er nur leise, weil es ihm wohl ein bisschen peinlich ist, vor mir zu singen. Aber ich mag's, wenn er singt. Seine Stimme klingt gut dabei.
    Ich greife nach seiner Hüfte und ziehe ihn vor mich. Irgendwie ist mir grade danach, ihn anzufassen. Ich hab mich die ganze Zeit auf dem Weg hierher zurückgehalten, aber irgendwie verführt mich die Stimmung, ungeachtet dessen, dass es eine HSV-Party ist, dazu, das hier ein bisschen romantisch zu finden.
    Ein wenig überrascht dreht er den Kopf zu mir, bleibt dann aber so stehen

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