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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Cole
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bei den einen oder den anderen, ganz sicher keine Freunde macht, wenn man zugibt, dass man für Bremen ist. Ich bin's trotzdem. Weil ich dort geboren bin. Aber meistens behalte ich beides für mich.
    Als ich 2002 hergekommen bin, waren alle, die ich hier in Hamburg kennengelernt hab, für Pauli. Gerd hat immer gesagt, ob man für die einen oder die anderen ist, wird einem in Hamburg von der Familie in die Wiege gelegt. Und ein bisschen war es so. Meine alte Familie, die es nicht mehr gab, war aus Bremen und meine neue war eben für Pauli.
    »Du läufst jetzt aber nicht über, oder?« Daniel zieht die Augenbrauen hoch. Er interessiert sich eigentlich kein Stück für Fußball. Trotzdem ist er offiziell natürlich, genau wie ich, eher für die Jungs vom Millerntor.
    »Keine Sorge«, brumme ich.
    »Na, dann geh schon, du solltest dich noch umziehen.« Er mustert mich ein bisschen amüsiert. Aber er hat schon recht. Meine Arbeitshosen und das Blattgold -Shirt sind wohl nicht grade das, was man zu einem Date trägt.
    »Kannst du mir gleich noch die Annenstraße eingeben?«, bitte ich ihn. Ich hab Josh zwar schon nach dem Kino nach Hause gebracht, aber ich bin nicht sicher, ob ich's ohne Navi wiederfinde. Es war schon dunkel. Ich komme aus einer anderen Richtung und ich glaube, es waren auch ein paar Einbahnstraßen dabei.
    Auf Strecken, die ich nicht kenne, orientiere ich mich an Gebäuden, Tankstellen, Ampeln, Leuchtreklamen und anderen einprägsamen Dingen. Weil ich die Schilder ja nicht lesen kann. So was fällt mir leichter, wenn es Tag ist. Außerdem war ich zu abgelenkt davon, wie er mit geschlossenen Augen auf dem Beifahrersitz gesessen und die Arme über den Kopf in den Fahrtwind gestreckt hat.
    »Klar«, sagt Daniel.
    »Danke.« Ich muss mich echt sputen. Sonst ist zur Abwechslung mal nicht er zu spät.
     
    ***
     
    Eine gute Stunde später halte ich vor seinem Haus. Ich hab geduscht und eine Ewigkeit gebraucht im Bad. Und jetzt stehe ich vor der Eingangstür und starre auf mein Handy.
    Er hat mir gerade eine SMS geschickt. Ich erkenne sie am Ton, den Daniel ihm für mich zugewiesen hat. Aber ich glaube, ich würde auch ohne SMS-Ton erkennen, dass es seine Nummer ist.
    Nur dummerweise kann ich seine Nachricht nicht lesen und Daniel, dem ich sie grade weitergeschickt hab, meldet sich nicht, um mir zu sagen, was drin steht. Vermutlich hat er sein Handy aus oder er hat es im Laden oder im Transporter vergessen. Und ich könnte ihn umbringen dafür. Auch wenn ich weiß, dass das ungerecht ist. Denn ich kann nicht von ihm erwarten, dass er auf Abruf bereitsteht, nur weil ich ein Date mit meinem neuen Freund hab und zu blöd bin, seine SMS zu entziffern. Schlimm genug, dass ich nicht mal wirklich weiß, was ich ihm da weitergeleitet hab. Ich hoffe, es ist nichts allzu Intimes. Aber ich fürchte, ich hab keine Wahl, weil ich wissen muss, was da steht.
    Es sind Situationen wie diese, an die ich mich nie gewöhnen werde. Dieses Ausbreiten intimster Dinge, dieses beklemmende Gefühl, nichts wert zu sein, das mich in diesen Momenten beschleicht und das mich gleichzeitig hilflos und einfach nur wütend macht.
    Es ist eine Farce. Wenn Josh mir schreiben würde, dass er mich liebt, dann liest Daniel es vor mir. Liest es mir vor , weil ich es selbst nicht kann, weil ich hilflos kapituliere vor ein paar Buchstaben und einer beschissenen SMS.
    Was, wenn Josh mir grade schreibt, dass ihm was dazwischen gekommen ist? Oder dass wir uns jetzt doch woanders treffen? Und jetzt stehe ich vor seinem Haus und hab keine Ahnung. Von meinem Problem mit der Klingel will ich gar nicht erst anfangen.
    Er hat Mitbewohner, also sollte ich wohl eine der Klingeln wählen, an der mehrere Namen angebracht sind. Aber davon gibt es immer noch zwei und ich weiß nicht, wie er mit Nachnamen heißt. Er hat sich nie wirklich mit vollem Namen bei mir vorgestellt und selbst wenn ich Daniel ein Foto von den beiden Klingelschildern schicken würde, wäre das wenig hilfreich. Ich beschließe also, seine Nummer zu wählen. Denn Daniel hat sich immer noch nicht zurückgemeldet.
    »Hi!« Anscheinend hat er mir auch einen speziellen Klingelton zugeordnet, denn irgendwas in seiner Stimme klingt so, als sei er nicht überrascht, dass ich es bin. Ich hoffe, er erwartet jetzt nicht, dass ich irgendwas zu seiner SMS sage.
    »Hey. Alles klar?«, frage ich also unverfänglich. Erschreckend, wie viel Routine man bekommt in solchen Dingen. Darin, sich nur vage

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