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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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leichte Verärgerung.
    »Ich bin keine Polizistin, aber ich kenne mich mit Englisch aus«, sagte Sarah. »American-English, British-English, Pidgin-English, Slang-English, You-go-fuck-yourself-English, You- name-it-English. Ich kenne mich sogar mit dem Englisch Ihrer Majestät der Königin aus.«
    Sie lächelte und schaute Johansson mit ihren großen braunen Augen an.
    »Wie soll ich es sagen?«, meinte sie dann. »John sprach kein besseres Englisch als die meisten hier in den USA, und das hier hat er ganz bestimmt nicht geschrieben.«
    »Das hat er nicht?«
    »No way«, sagte Sarah, »und ich würde noch weitergehen. Ich möchte behaupten, dass das hier weder von einem Amerikaner noch von einem Engländer geschrieben wurde. Wenn ich tippen soll, dann würde ich auf jemanden setzen, der Englisch nicht als Muttersprache hat, der es aber trotzdem mehr oder weniger fließend spricht und schreibt. Auf einen Mann, einwandfrei auf einen Mann, denn Frauen schreiben nicht so, einen gebildeten, begabten Mann, der noch dazu poetische Begabung oder genauer gesagt poetischen Ehrgeiz besitzt.«
    Wie diese Gedichte, die ich als Junge geschrieben habe, dachte Johansson und nickte, während er sich zugleich bemühte, ein kluges Gesicht zu machen. Sie ist ein bisschen zu schlau, dachte er. Also muss ich auf der Hut sein.
    »Sie erkennen nichts davon wieder?«, fragte Johansson. »Ich meine, ein Zitat oder etwas Ähnliches?«
    »Nein«, sagte Sarah und schüttelte abwehrend den Kopf. »So gut ist es auch wieder nicht.«
    »Hm«, sagte Johansson und sah ziemlich nachdenklich aus. »Ich glaube trotzdem, dass Ihr Verflossener das geschrieben hat. Rein technisch betrachtet, meine ich«, fügte er rasch hinzu, als er sah, dass sie zum Widerspruch ansetzte.
    »Was ich meine, ist folgendes«, verdeutlichte Johansson. »Ich glaube, dass er es auf seiner eigenen Maschine geschrieben hat. Er hat das Papier in die Maschine gespannt und den Text getippt. Er hat sogar einige Korrekturen vorgenommen, wie man das macht, wenn man etwas abschreibt und sich dabei vertippt. Und ich glaube nicht, dass ihn irgendwer zu alldem gezwungen hat.«
    Sarah nickte. Diese Vorstellung schien ihr nicht ganz abwegig zu sein.
    »Kann er also etwas abgeschrieben haben, das von jemand anderem kam?«
    Sarah sah plötzlich fast begeistert aus.
    »Das kann ich mir gut vorstellen. Das wäre typisch John.«
    »Warum kann er das getan haben?«, fragte Johansson.
    »Keine Ahnung«, sagte Sarah und zuckte mit den Schultern. »Aber das ist doch nicht das eigentliche Problem.«
    »Und was ist das eigentliche Problem?«
    »lohn hätte nie im Leben Selbstmord begangen«, sagte Sarah und nickte nachdrücklich.
    »Warum nicht?«
    »Er war viel zu sehr in sich selbst verliebt«, sagte Sarah. »Er wäre lieber gestorben, statt sich das Leben zu nehmen.«
    Das wäre er also, dachte Johansson, sagte aber nichts. Er begnügte sich mit einem Nicken.
    »Dieser Brief, den er mir geschrieben hat«, sagte er dann.
    »Ich geh ihn holen«, sagte sie. »Er liegt in meinem Arbeitszimmer.«
    Vielleicht ein bisschen zu rund, dachte Johansson und sah ihrem Rücken hinterher, als er in der Diele verschwand. Aber sie macht etwas her. Was immer das nun mit dem Fall zu tun hat.
    Endlich, dachte Johansson, als er gute drei Minuten später Krassners Brief in Händen hielt.
    Ein normaler weißer Umschlag im C-5-Format, bedeckt mit Poststempeln, Briefmarken, allerlei postalischen Notizen und drei handgeschriebenen Adressen. Außerdem war er geöffnet worden, sorgfältig mit einem Brieföffner aufgeschlitzt.
    »Ich habe ihn aufgemacht«, sagte Sarah. »Darüber reden wir später. Lesen Sie erst mal.«
    Aus dem ersten Poststempel ging hervor, dass der Brief am Freitag, dem 18. Oktober, vom Postamt im Körsbärsvagen an Johanssons eigenes Postamt in Södermalm in Stockholm geschickt worden war: Postlagernd, Herrn Kriminaldirektor Lars M. Johansson. Rang und Namen des Empfängers waren mit eleganter weiblicher Handschrift angebracht worden.
    Pia Hedin, dachte Johansson, und sein Herz legte einen zusätzlichen Schlag ein, aus Gründen, über die er sich nicht so recht im Klaren war.
    Am Montag, dem 18. November, wie der nächste Stempel zeigte, war der Brief an die Post im Körsbärsvägen zurückgegangen. Dort war er bis zum Donnerstag, den 28. November, liegen geblieben, worauf dieselbe elegante weibliche Handschrift ihn umadressiert hatte, an John P. Krassner, care of Sarah J. Weiss- man, 222 Aiken Avenue,

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