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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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»Hier in dieser Gegend werden Weihnachtsbäume ernst genommen.«
    »Ja«, sagte Johansson.
    »Und Schneeschippen«, sagte sie. »Mein Nachbar übernimmt das für mich, obwohl seine Frau dann sauer wird, aber sie sind jetzt gerade in Florida.«
    »Ich kann das übernehmen«, sagte Johansson, denn das hatte er schon als kleiner Wicht gelernt. Was er zu sagen und was er zu tun hatte.
    »Das glaub ich gern«, sagte sie und nickte, »aber nach dem Wochenende soll es milder werden, und da kann ich wohl das Risiko eingehen und warten.«
    »Und was machen Sie selbst so?«, fragte Johansson.
    Dies und jenes, wie er erfuhr. Sie hatte Englisch und Geschichte studiert und arbeitete seither als freie Lektorin für mehrere New Yorker Verlage, ihre Mutter hatte ihr die Tür zu dieser Branche geöffnet, und womit sie sich vor allem beschäftigte, war das Sammeln und Überprüfen von Informationen im Zusammenhang mit Buchveröffentlichungen.
    »Es geht um Sachbücher und um Romane. Im Moment arbeite ich an einem Roman über den Bürgerkrieg, von einer der bestgehenden Autorinnen des Verlags. Sie ist hin und weg von mir. Will mit keiner anderen arbeiten.«
    Das kann ich mir denken, dachte Johansson.
    »Sie hat mir sogar einen Antrag gemacht«, sagte Sarah und kicherte glücklich. »Und deshalb haben wir gerade eine kleine Krise.«
    Danach wurde sie plötzlich wieder ernst.
    »John«, sagte sie. »Ich werde von John erzählen, ich werde mich zusammenreißen, das verspreche ich.«
    Danach hatte sie von John erzählt. Sie brauchte nur eine Viertelstunde, und danach sah Johansson ein klares Bild. So ganz falsch habe ich nicht gelegen, dachte er.
    »Jetzt wissen Sie Bescheid, nicht wahr?«, fragte sie und schaute ihn zufrieden an.
    »Ja«, sagte Johansson und lächelte widerwillig. »Jetzt ergibt das Ganze schon eher einen Sinn.«
    »Das hab ich doch gleich gesehen«, sagte sie. »Dass das Ganze für Sie keinen richtigen Sinn ergeben hat.«
    Sarah und John hatten einander auf der Universität kennen gelernt. Sie war achtzehn, jung und unerfahren. Er war zwei Jahre älter, und wenn man alles glauben wollte, was er sagte, und das wollte sie damals, war er außerdem ein überaus erfahrener und interessanter junger Mann. Außerdem sah er gut aus, und so war sie, als ihre Eltern sich getrennt hatten, zusammen mit John in eine universitätseigene Studentenwohnung gezogen.
    »Mein Vater hat John wirklich gehasst«, sagte sie fröhlich, »und da ich meinen Vater immer mehr geliebt habe als irgendeinen anderen Menschen auf der Welt, war das ja eigentlich logisch. Dass John und ich zusammengezogen sind, meine ich. Mein Vater ist ein sehr kluger Mann«, fügte sie hinzu, jetzt wieder ernst. »Er ist so klug, dass er eigentlich nie etwas Praktisches geschafft hat, und was John anging, hatte er völlig Recht.«
    Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie:
    »Johns Vater ist mit einer anderen durchgebrannt, als John noch sehr klein war, und deshalb ist er bei seiner Mutter und ihrem Bruder aufgewachsen. Bei Onkel John. John war nach seinem Onkel getauft, und der wurde in seiner Kindheit für ihn zur Vaterfigur.«
    »Ja«, sagte Johansson. Was soll ich schon sagen, dachte er.
    »Zwei von diesen gerissenen, verlogenen, versoffenen und natürlich von Vorurteilen besessenen Iren. Da kann man schon aus geringeren Gründen jüdisch werden«, sagte Sarah Weissman ohne auch nur die Andeutung eines Lächelns. »Seine Mutter ist einige Jahre, nachdem wir uns kennen gelernt hatten, an Leberzirrhose gestorben, und sein Bruder hat sich wohl einfach zu Tode gesoffen. Er ist in diesem Frühling gestorben. Er war ein richtiger Mistkerl. Professor hier an der Uni, der New York State, aber sie mussten ihn feuern, obwohl er einen ganz besonderen Hintergrund hatte und obwohl er in Diensten unserer geliebten Regierung stand.«
    »Warum das?«, fragte Johansson.
    »Das erzähle ich gleich«, sagte Sarah gelassen.
    Der Apfel war nicht weit vom Pferd gefallen, und ob das nun an der Vererbung oder am Milieu lag oder an beidem, war eigentlich ganz und gar uninteressant für Sarah, die die Folgen hatte tragen müssen. Der junge John hatte großes Wissen besessen, teilweise war dieses Wissen echt, zumeist jedoch war es fiktiv. Er hatte sich mit allem Möglichen befasst und fast alles von anderen übernommen und das Meiste von seinem Onkel.
    Das hatte Sarah ziemlich bald festgestellt, nachdem sie zusammengezogen waren, und danach war es nur noch schlimmer geworden. Schon im ersten

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