Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
gehofft.
Im folgenden verlief die Besprechung reibungslos, und der Minister schien vor allem an das bevorstehende Wochenende zu denken. Berg verbrachte die meiste Zeit damit, über die Ermittlungen in zwei ausländischen Bestechungsfällen zu berichten. In einem ging es um mutmaßliche Flüchtlingsspionage und im anderen um eine leider bereits geschehene Industriespionage. Hier widersetzte sich das Außenministerium dem Ausweisungsbegehren. Keiner der Anwesenden hatte noch irgendwelche Fragen. Die Glocken in Bergs Kopf hingegen läuteten noch immer.
So ist es eben, dachte Berg, als er vor Rosenbad ins Auto stieg. Wie schön, dass es bald Wochenende ist.
Erste Dezemberwoche
Was soll das Ganze eigentlich?, fragte sich Kriminalassistentin Jeanette Eriksson, als sie sich am Montag auf ihren Schreibtischsessel sinken ließ, nachdem sie das ganze Wochenende mit ihrem neuen, heimlichen Liebhaber, dem Leitenden Polizeidirektor Waltin, verbracht hatte. Denn das war er doch wohl, trotz des Altersunterschiedes? Ihr Hintern tat ihr auch weh, und das war besonders störend, denn die Einsamkeit ihres Büros war inzwischen Schnee von gestern. Das ganze Krassnerprojekt war ebenfalls abgehakt und vom höchsten Chef persönlich zur Verschlusssache erklärt worden. Und alles hatte doch erst vor einer Woche oder genauer gesagt vor zehn Tagen so schön angefangen, dachte Kriminalassistentin Jeanette Eriksson, die die Zeiten immer ganz genau nahm, im Dienst wie im Privatleben. Und alles hatte als das eine angefangen und als das andere geendet.
Krassner war endgültig zur Geschichte geworden, und Daniel würde es bald sein. Bei ihrem letzten Telefongespräch hatte sie ihm erzählt, dass es ihrer kranken Mutter plötzlich noch viel schlechter ging und sie nach Norrland fahren und ihrem Vater bei der Betreuung der Patientin und der kleinen Kinder helfen musste. Daniels Mitgefühl kannte keine Grenzen, und ihr schlechtes Gewissen war noch gewachsen. Was jetzt noch blieb, war eigentlich nur noch Waltin, der im Detail entschied, was sie nach ihrem Einsatz im Fall Krassner machen sollte, und der inzwischen auch ihr Privatleben mit Beschlag belegte, auf eine Weise, über die sie nun wirklich mit niemandem sprechen mochte. Da war zum Beispiel diese Sache mit der Süßigkeitentüte, die er ihr zuerst gegeben und dann wieder weggenommen hatte, aus Gründen, die sie nicht einmal in der Fragespalte der großen Abendzeitung veröffentlichen könnte.
Was soll das Ganze eigentlich?, überlegte Kriminalassistentin Eriksson und versuchte vorsichtig, sich auf die am wenigsten wehe Stelle zu setzen, als sie sich an die übliche Tagesarbeit machte.
*
Am Dienstag, dem 3. Dezember, erklärte die Stockholmer Polizei die Ermittlungen im Fall John P. Krassner offiziell für beendet. Es stand nunmehr einwandfrei fest, dass er Selbstmord begangen hatte, er hatte ja sogar einen Abschiedsbrief hinterlassen, und noch am selben Tag machte Kriminalinspektor Persson auf seine diskrete Weise eine Kopie des Ermittlungsberichts.
Krassners spärliche Hinterlassenschaft, hatte er allerdings nicht zu Gesicht bekommen, denn die hatte die Botschaft bereits in die USA zurückgeschickt. Das machte Berg offenbar Sorgen, denn er hatte unter anderem nach einer Einladung gefragt, die weder auf der Liste der beschlagnahmten Sachen noch auf der Versandliste zu finden war, aber Persson fand das nicht weiter schlimm. Solchen Dreck wirft man doch sicher sofort weg, hatte er gedacht und es auch gesagt.
Berg hatte sich mit einem zustimmenden Nicken begnügt, aber um ganz sicher gehen zu können, hatte er doch bei einem der psychiatrischen Berater des Büros ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es handelte sich um einen ungewöhnlich kompetenten Arzt der alten Schule, der ihm schon häufiger geholfen hatte und der ihn auch diesmal nicht enttäuschte. Krassners Abschiedsbrief wies offenbar auf eine »stark depressive Veranlagung« hin, weshalb die »Selbstmordgedanken, die ihn schon lange gequält hatten« nun endlich einen »fast zwanghaften und zeitweise halluzinatorischen Charakter« entwickelt hatten.
Endlich, dachte Berg. Höchste Zeit, diese traurige Geschichte wegzupacken zu den übrigen geheimen Unterlagen.
*
Bei der Besprechung hatten sie mehrere Themen behandelt, und auch das etwas exzentrische Sicherheitsbewusstsein des Ministerpräsidenten war wieder zur Sprache gekommen.
»Ich habe nach der letzten Regierungsbesprechung wie abgemacht die Sache aufs
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