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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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er.
    »Morgenstund hat Gold im Mund«, sagte Johansson mit gespielter Herzlichkeit, obwohl sein Magen schrie und es noch eine ganze Stunde dauern würde, bis er in der Cafeteria unten beim Schwimmbad zum Schweigen gebracht werden konnte.
    Als seine Sekretärin um kurz vor acht wie immer zum Dienst erschien, hatte er seinen Tisch aufgeräumt, das aufgeschlagene Kalenderblatt war weiß wie Schnee, und vor ihm lag ein ganzer Arbeitstag, an dem er durch seine eigenen Gänge wandern und mit den Kollegen Blödsinn reden könnte. Falls nichts Dringliches passierte, das seinen Einsatz verlangte. Aber warum sollte das passieren? Es passiert ja auch sonst nie, dachte Johansson und nickte seiner engsten Mitarbeiterin freundlich zu.
    »Du hast nicht zufällig zwei Minuten Zeit?«, fragte sie, und ihre schuldbewusste Miene verriet ihm sofort, worum es ging.
    Sie hat es sich anders überlegt, dachte er.
    »Natürlich«, sagte Johansson. »Wir können uns zu mir setzen.«
    Sie hatte sich die Sache wirklich anders überlegt, und sie brauchte fünf Minuten, um ausgiebig um den heißen Brei herumzureden.
    »Natürlich bleibst du hier«, sagte Johansson freundlich. »Wer weiß, wie lange ich im Personalbüro bleibe. Ich weiß es doch selbst nicht so genau.«
    Frauenzimmer, dachte er.
    »Sag Bescheid, wenn dir jemand einfällt«, sagte Johansson. »Ich verlange keine Wunder, es reicht, wenn sie halb so gut ist wie du«, fügte er mit einer zusätzlichen Prise Norrländisch in der Stimme hinzu.
    Auch egal, dachte er, als sie das Zimmer verließ.
    Danach hatte er sich eine gute Stunde damit beschäftigt, bei seinen alten Kollegen hineinzuschauen und über Gott und die Welt zu reden, vor allem aber über alte und neue Schurken. Als die Uhr auf zehn zuging, bat er um Entschuldigung, kehrte in sein Büro zurück und rief seinen Sachbearbeiter in der Bank an.
    »Ich will meine Fermenta verkaufen«, sagte Johansson.
    Der Bankmann wand sich wie ein Aal in einer Salzkiste, aber Johansson, der sich in seine eigenen Angelegenheiten nie hineinreden ließ, blieb stur.
    »Sie meinen, ich sollte sie behalten?«, fragte Johansson.
    »Ich habe hier den letzten Bericht unserer Analytiker vor mir liegen, und die sehen ein fortgesetztes und weiterhin starkes Wachstumspotenzial. Sie raten energisch vom Verkauf ab und empfehlen sogar weitere Käufe auf dem derzeitigen Niveau.«
    Ob das wohl dieselben Rechengnome sind, die mir vor drei Monaten vom Kauf abraten wollten? Aber natürlich, damals kriegte man die Aktien für einen Hosenknopf, dachte Johansson.
    »Na gut«, sagte Johansson gewichtig. »Wir machen es so. Sie verkaufen alle meine Fermenta-Aktien, und ich warte am Telefon, bis das geschehen ist.«
    »Es ist geschehen«, sagte der Bankmann sauer, nachdem er ungefähr eine halbe Minute lang neben dem Telefonhörer herumgemurmelt hatte.
    »Hervorragend«, sagte Johansson. »Sie wissen doch, was der alte Ford immer gesagt hat? Der mit dem Model T?«
    »Nein«, sagte der Bankmann. Er schien noch immer beleidigt zu sein.
    »Gewinn ist Gewinn«, sagte Johansson und legte auf.
    So, das wäre also das, dachte Johansson. Und was mache ich jetzt? Er schaute auf seine Armbanduhr und ließ sich im Schreibtischsessel zurücksinken. Erst zehn Uhr und nichts zu tun. Zuerst war ihm die Idee gekommen, sich auf Wiklander zu stürzen und ihm seine Dienste anzubieten, aber da hatte sich der Kriminaldirektor in ihm energisch zu Wort gemeldet, dass er sich diesen Gedanken gleich aus dem Kopf schlagen könnte, denn es sei zu riskant für einen Mann in seiner Stellung und im Hinblick auf das wahrscheinliche Gewicht der Angelegenheit wohl auch unnötig.
    Johansson trommelte unzufrieden mit den Fingern auf der Tischplatte herum. Der Polizist in seiner Seele war plötzlich zum Leben erwacht, wollte sich nicht verdrängen lassen, und er sehnte sich nach einer Runde redlicher, altmodischer Ermittlungen. Was hatte der Arsch noch in diesem Brief geschrieben, der bestimmt nie für meine Augen bestimmt war?, überlegte Johansson. Dass er meine Privatadresse einem sehr bekannten schwedischen Journalisten verdankte? Johansson kannte nur einen von der Sorte, und weil er gerade nichts anderes zu tun hatte, konnte er dieser Sache auch gleich nachgehen.
    Redakteur Wendell von der großen Abendzeitung hörte sich geschmeichelt und interessiert zugleich an, als Johansson anrief und noch für diesen Tag ein gemeinsames Mittagessen vorschlug.
    »Hast du irgendwas Spannendes am Laufen?«, fragte

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