Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
aufgebrühtem Kaffee in Johanssons Wohnzimmer. Die Tür zum Arbeitszimmer hatte Johansson geschlossen.
»Eins wüsste ich ja gern«, sagte Johansson und schnupperte am Kaffeeduft, der aus seinem Becher stieg.
Wiklander begnügte sich mit einem Nicken.
»An diesem Abend, an dem Krassner aus dem Fenster gesprungen ist«, fügte Johansson hinzu, »wie viele wohnten da überhaupt auf diesem Gang?«
»Zusammen mit Krassner sieben«, sagte Wiklander. »Normalerweise ja acht, aber der eine war wohl nach Hause gefahren. Irgendwer in der Familie hatte einen Unfall gehabt. Sein Vater, glaube ich. Oder vielleicht seine Mutter?«
»Wie viele von denen waren zu Hause?«, beharrte Johansson. »Als er gesprungen ist, meine ich.«
»Zu Hause«, sagte Wiklander und schien scharf nachzudenken. »Krassner selbst war zuerst in der Stadt. Er kam gegen sieben zurück. Dieser Schwarze stieß mit ihm beim Weggehen zusammen. Ich bilde mir ein, dass das im Protokoll steht. Ja, also dieser Schwarze, M’Boye, war unterwegs zu der Kneipe, wo er mit seiner Freundin verabredet war, mit Kollegin Eriksson, meine ich.« Wiklander grinste.
»Und die anderen fünf?«, fragte Johansson.
»Drei waren wohl übers Wochenende nach Hause gefahren, da wohnen ja vor allem Landeier«, sagte Wiklander, der selbst aus Värmland kam und bei jeder Gelegenheit sein Mütterchen in Karlstad besuchte.
»Bleiben noch zwei«, sagte Johansson. »Waren die zu Hause?«
»Nein«, sagte Wiklander. »Die hatten das zuerst vor, aber … warte mal, ja, so war es. Die wollten irgendein Konzert besuchen, kriegten aber keine Karten mehr, und deshalb wollten sie wohl zu Hause einen trinken … aber dann haben sie doch noch Karten erwischt …«
»Diese Kleinigkeit hat nicht zufällig Kollegin Eriksson in die Wege geleitet?«
»Jetzt, wo du es sagst«, sagte Wiklander. »Ich weiß noch, dass ich mir gedacht habe, alle Achtung, wie hat sie das bloß geschafft? Aber natürlich hat sie das sicher nicht selbst bezahlt, das war doch wohl die Firma.«
Die Nachbarzimmer am Gang waren also leer, als Krassner gestorben ist, dachte Johansson. Und dafür hat Kollegin Eriksson gesorgt. So einfach war das.
»Was ist das Problem?«, fragte Wiklander und musterte seinen Chef skeptisch. Was verschweigt der mir bloß?, überlegte er.
»Es gibt kein Problem«, sagte Johansson und lächelte. »Jetzt habe ich alle Stücke für mein Puzzle zusammen, und da danke ich dir doch sehr.«
Bleibt Alternative zwei, dachte Johansson, als er Wiklander nach der angemessenen Viertelstunde Kaffeetrinken und polizeilichen Schnickschnacks über dieses und jenes aus dem Haus geschoben hatte. Alternative zwei war keine angenehme Alternative. Mittagessen, dachte Johansson, aber zuerst einen kräftigenden Spaziergang, um die Schlacken aus meinem Kopf zu vertreiben.
Die Hügel von Söder, das Wasser und darunter die Stadt, kalt, windig, der Geruch von Schnee in der Luft, schöner kann es in einem Menschenleben wohl nicht werden, dachte Johansson. Krassner hatte seine Papiere zu Hause aufbewahrt, die Kollegen von der Sicherheitspolizei hatten eine verdeckte Hausdurchsuchung durchgeführt. Aus Gründen, die Johansson nicht begriff, hatten sie seine Papiere mitgenommen. Danach hatte Krassner angeblich seinen Abschiedsbrief geschrieben, mit Worten, die von einem anderen stammten, und mit einem neuen und bisher unbenutzten Farbband, obwohl er den Text sicher in seinem Manuskript hatte, fix und fertig, und obwohl er hier in Schweden bestimmt viele tausend Anschläge zu Papier gebracht hatte. Und auch im Papierkorb war kein abgenudeltes Farbband gefunden worden, obwohl Krassner ja nicht gerade zum Aufräumen geneigt hatte.
Etwas muss total in die Hose gegangen sein, dachte Johansson, während eine kalte Hand sein Herz streifte. Dass die schwedische Sicherheitspolizei ganz bewusst Krassner ermordet und einen Selbstmord fingiert haben sollte, hielt er für ausgeschlossen. Das war kaum glaubhaft, dachte Johansson. Verdammt, wir reden hier doch von Schweden. Und wenn er sich in Erinnerung rief, auf wen Krassner mit seinem Buch gezielt hatte, und wenn die Kollegen von der Säpo diese Papiere an sich gerissen hatten, dann war es das pure Mysterium, dass das Manuskript nicht längst in allen Medien breitgetreten wurde, dachte Johansson mit einer gewissen Wut. Es musste eine andere Erklärung dafür geben, und die einzige, auf die er kam, war, dass einer oder mehrere von diesen Kollegen die Operation dermaßen
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