Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
hinfahren.
Er will über Krassner reden, dachte Johansson, doch da er nicht vorhatte, diese Diskussion zu eröffnen, setzte er sich auf die Rückbank und vertiefte sich in seine Konferenzpapiere. Erst, als sie bei Järna nach Osten abgebogen waren und ihnen nicht mehr sehr viel Zeit blieb, hatte Wiklander das Wort ergriffen.
»Ich habe da über eine Sache nachgedacht«, sagte Wiklander. »Wenn der Chef Zeit zum Zuhören hat.«
»Natürlich«, sagte Johansson und gab sich Mühe, es überzeugend klingen zu lassen.
»Es ist mir eingefallen, nachdem wir uns gestern getrennt hatten. Ich weiß nicht, ob das alles Unsinn ist, aber deine Fragen haben mir eben zu denken gegeben. Ich habe mir plötzlich vorgestellt, dass die Kollegen von der Säpo im Zimmer von diesem M’Boye eine diskrete kleine Hausdurchsuchung vorgenommen haben und dass Kollegin Eriksson ihn deshalb in die Kneipe schleppen musste.«
»Das habe ich mir auch schon überlegt«, sagte Johansson. »Und deshalb habe ich dich ja gefragt.« Nur eine halbe Lüge, dachte er.
»Und während sie dort sind, hüpft dieser andere Dussel aus dem Fenster«, sagte Wiklander mit ziemlich düsterer Stimme.
»Auch darüber habe ich schon nachgedacht«, sagte Johansson und versuchte ein wenig zusätzliche Autorität in die Lüge zu schmuggeln, seiner Glaubwürdigkeit zuliebe. »Die Kollegen haben ihre Arbeit gemacht, und dann sind sie weggegangen, ohne auch nur zu ahnen, dass Krassner schon aus dem Fenster gesprungen war oder es bald tun würde.«
»Kann es wirklich so übel gewesen sein?«, meinte Wiklander skeptisch. »Ich meine, die müssen doch draußen Posten gehabt haben.«
»Die standen wohl vor dem Hinterausgang, während Krassner vorne gesprungen ist«, sagte Johansson, der entschlossen war, Wiklander in seinem Irrtum zu belassen.
»Jaa. Hmmm«, sagte Wiklander, aber besonders überzeugt schien er nicht zu sein. »Professionell war das ja nicht gerade.«
»Da sind wir ganz einer Meinung«, sagte Johansson, ohne weiter darauf einzugehen, »aber ich glaube eigentlich, dass sie nie eine Durchsuchung vorgenommen haben.«
»Du meinst …«, sagte Wiklander.
»Dass Eriksson und M’Boye essen waren, und das war alles«, sagte Johansson.
»Hmm«, sagte Wiklander und nickte. »Das habe ich ja auch die ganze Zeit geglaubt. Dass es einfach ein Zufall war.«
»Und ich glaube auch, dass sie deshalb den Bericht über Krassners Tod durchgehen wollten«, sagte Johansson. »Um sich davon zu überzeugen, dass M’Boye nicht doch auf irgendeine rätselhafte Weise etwas mit Krassner zu tun gehabt hatte.«
»Ja«, sagte Wiklander und klang jetzt um einiges fröhlicher. »Dass er Selbstmord begangen hat, steht ja jetzt fest. Eine andere Möglichkeit gibt es einfach nicht.«
»Nein«, sagte Johansson. Schön zu hören, dass du zu dieser Erkenntnis gelangt bist, dachte er.
Johansson war der einzige Polizist bei dieser Konferenz, und als er einige Tage zuvor die Teilnehmerliste gesehen hatte, hatte er gedacht, dass sie hier wirklich keine Katzenkacke zusammengescharrt hatten, abgesehen von ihm selbst natürlich, denn auf der Liste standen zwei Generaldirektoren, ein Justizrat, sechs geschäftsführende und stellvertretende Direktoren aus der Wirtschaft und außerdem ein Kriminaldirektor, den man sicherheitshalber mit dem Zusatz »und Leiter des Landeskriminalamts« ausstaffiert hatte. Allesamt in Anzug und Schlips natürlich, da nur Schotten im Rock Kriege führen.
Aber ansonsten war alles überaus zivil verlaufen. Die ganze Sache hatte zwar mit einem Kriegsspiel begonnen, bei dem die Teilnehmer durch das Los bestimmt miteinander die Arbeit tauschen mussten, jedoch nicht, um an die Front zu reisen, sondern um sich um die Kommunikationswege, die Lebensmittelversorgung, die Krankenpflege und das Justizwesen zu kümmern. Und auch ansonsten war es auf der Konferenz vor allem eben darum gegangen: wie Straßen und Telefon, Strom und Wasser funktionieren konnten, damit die Leute nicht verhungern oder nackt herumlaufen mussten. Und wie man sie dazu brachte, sich »anständig« zu benehmen, auch wenn es ganz schlimm kommen sollte.
Der Mittwochvormittag war für eine Übung unter der Leitung eines Sonderbeauftragten des Ministerpräsidenten reserviert gewesen, bei dem es sich um höchstdieselbe graue Eminenz handelte, die auch die Verantwortung für die die Regierung und die zentrale Staatsverwaltung betreffenden Sicherheitsfragen trug. Unter diesen Umständen war er ungeheuer
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