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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Haken ordentlich interessant wirken zu lassen. »Rein polizeilich gesehen … ist er ganz einfach nicht der Typ, könnten wir sagen. So einer wie er würde niemals für die Russen spionieren. Er nicht, nein.« Johansson schüttelte gewichtig den Kopf, und alle, die ihn ansahen, begriffen, dass allein die Vorstellung schon unmöglich war.
    »Es ist ja schön, diese Auffassung von einem allseits geschätzten Vertreter der Polizei zu hören«, sagte der Seminarleiter. »Aber es ist ja wohl nicht immer das, was unter Ihren Kollegen getuschelt wird.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Johansson.
    »Dass der Ministerpräsident eben kein Spion ist«, sagte der Sonderbeauftragte mit besonderer Betonung.
    »Das habe ich nicht gesagt«, erklärte Johansson mit gut gespieltem Erstaunen und machte sich vorsichtig an dem Hautstück zwischen Daumen und Zeigefinger zu schaffen.
    »Haben Sie nicht gesagt, dass er dazu nicht der Typ ist?« Jetzt hatte der Seminarleiter und Sonderbeauftragte des Ministerpräsidenten die Augenlider zumindest halb gehoben.
    »Nein, da haben Sie mich wohl falsch verstanden«, sagte Johansson mit seiner ländlichsten Aussprache und schüttelte den Kopf. »Als Spion wäre er schon ziemlich geeignet, zumindest wäre er das in jüngeren Jahren gewesen. Heute hat er sicher zu viel zu tun, und er wird wohl auch zu streng überwacht. Wenn er jemals Spion war, dann sicher lange, bevor er zum Ministerpräsidenten wurde. Und für die Russen zu spionieren, daran hätte er sicher nie auch nur im Traum gedacht.«
    »Das ist doch schön zu hören. Sie haben keinen Vorschlag, für wen er denn sonst spioniert haben könnte?«, fragte der Sonderbeauftragte.
    »Ganz bestimmt für die Amerikaner«, sagte Johansson. »Für die CIA, wenn ich überhaupt Spekulationen anstellen will.«
    Und damit hast du angebissen, dachte Johansson, als er sah, wie sich der Blick des Sonderbeauftragten veränderte.
    »Ich habe ja schon begriffen, dass man innerhalb der Polizei andere politische Schwerpunkte setzt, als mein Chef und ich sie vertreten«, sagte der Sonderbeauftragte und wirkte ein wenig zu pikiert für jemanden in seiner Position.
    »Richtig«, sagte Johansson und nickte. »Das wird wohl so sein. Aber ich finde doch, dass er gebildet und … ja, auch intelligent wirkt.«
    »Aber Spion? Für die CIA?«, fragte der Sonderbeauftragte, und das brachte ihm als Belohnung ein Kichern ein.
    »Man schlittert doch so leicht in etwas hinein«, sagte Johansson und bedachte ihn mit seinem ausdrucksstärksten Polizeiblick. »Und die Intelligenz, an die ich hier denke, hat damit nichts zu tun. Im Gegenteil. Was am meisten verlockt, ist das, was man auch am besten kann, sonst wäre es doch keine Kunst, sich zurückzuhalten. Es ist leicht, irgendwo hineinzuschlittern, aus so einer Sache wieder herauszukommen, kann dagegen oft sehr viel schwieriger sein.« Johansson nickte wieder vor allem offenbar an sich selbst gerichtet, und im Raum herrschte Totenstille.
    »Ich glaube nicht, dass wir momentan noch weiterkommen«, sagte der Sonderbeauftragte mit leichter Handbewegung und verbindlicher Miene. »Außerdem sagen mir die köstlichen Düfte, die aus der Küche herüberschweben, dass es Zeit zum Mittagessen ist. Ich glaube, es ist höchste Zeit zum Aufbruch. Meine Herren … ich fand unsere Zusammenkunft außerordentlich angenehm, interessant und sogar spannend, und wenn ich nun …«
    Ob ich ihn bitten soll, von Fionn zu grüßen?, dachte Johansson, als er seine Aufzeichnungen einsammelte. Aber das war sicher nicht nötig, dann jetzt konnte er ihn lesen wie ein offenes Buch. Und trotz des schweren, unbeweglichen Gesichts, der zurückgelehnten Haltung, der halb gesenkten Augenlider, trotz seiner gesamten Körpersprache, seiner phlegmatischen Sicherheit und seiner wohl formulierten Rede konnte Johansson sehen, dass der andere jetzt wirklich Angst hatte. Wieviel er wohl weiß?, überlegte er.

 
Donnerstag, 19. Dezember
     
    Als Johansson am Donnerstag ins Büro kam, war der Weihnachtsfriede wie weggeblasen und zwischen der Drogenabteilung aus dem eigenen Haus und den Kollegen von der Landespolizei in Dalarna war der offene Krieg ausgebrochen. Sie hatten seit einigen Wochen gemeinsam an einem größeren Fall gearbeitet. Die Hauptverdächtigen saßen in Borlänge und Falun, und dort hatte alles seinen Anfang genommen, hatte sich dann aber rasch zu einer großen Sache entwickelt und Verästelungen überall in Schweden und auch im Ausland gezeigt. Am

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