Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
Vom Netzwerk:
gewesen war? Das war ja ziemlich stark, auch wenn es sich um einen Kollegen handelte.
    »Nein«, sagte Jarnebring. »Ich hab wirklich schon alles besorgt. Seine Alte hat ihn vor die Tür gesetzt«, erklärte er dann. »Und ich kann den Arsch doch nicht bei der Stadtmission Weihnachten feiern lassen. Außerdem habe ich das Tafelsilber in meiner Zahnbürstendose versteckt, das wird er also nie im Leben finden.«
    »Und du brauchst keinen Schnaps?«, fragte Johansson, der nicht gern ein Risiko einging, schon gar nicht so kurz vor Weihnachten.
    Kollege Rusth hatte also eine Frau an seiner Seite gehabt, obwohl er stank wie eine Leiche in einem Brunnen und obwohl er reichlich lange Finger hatte, überlegte er.
    »Nein«, sagte Jarnebring nachdrücklich. »Ich habe jede Menge Schnaps zu Hause. Ja, zu Hause bei meiner Freundin, ich bin doch nicht blöd, und er hatte wohl zwischen den Jahren noch irgendwas anderes vor. Rusth, meine ich«, erklärte er dann.
    »Nett von dir«, sagte Johansson, der Rusth immer schon für einen kompletten Arsch gehalten hatte, egal, zu welcher Jahreszeit.
    »An den Schnaps brauchst du also nicht zu denken«, schloss Jarnebring.
    Seltsam, dachte Johansson, als er den Hörer auflegte. Ob er wohl beim Pferderennen endlich mal gewonnen hat?
    Dass Jarnebring eine neue Freundin hatte, war nicht weiter überraschend. Das hatte er fast immer, sicherheitshalber rekrutierte er sie bei der eigenen Truppe. Um einiges jüngere, weizenblonde und hochbusige Kolleginnen, die in der Regel bei der Bereitschaftspolizei Dienst schoben, wenn sie sich nicht um Jarnebrings Wohl kümmerten. Und so ist es ja offenbar auch diesmal, dachte Johansson, als sie nach dem zweiten Klingeln öffnete und ihn strahlend anlächelte. Interessanter war es jedoch, dass dieses Exemplar offenbar Frühling, Sommer und Herbst überlebt hatte und dass Jarnebring diesmal offenbar wirklich seinen Kopfkissenbezug und seine Decke mitgebracht hatte, um zumindest vorübergehend seiner Junggesellenbude in Vasastan zu entkommen. Wahrscheinlich ist sie mütterlich und geduldig, obwohl sie so aussieht, wie sie eben aussieht, dachte Johansson.
    Ihre herbeizitierte Freundin aus Skövde war auch schon eingetroffen, und vom Aussehen her hätte sie durchaus die Schwester der Gastgeberin sein können. Als sie einander begrüßten, hatte er das Interesse in ihren Augen gesehen. Ob sie etwas gehört hat?, fragte er sich, oder liegt es an meinen schönen blauen Augen? Denn es kann doch nicht daran liegen, dass ich mich zu wenig bewege und zu viel esse. Es liegt an meinen schönen blauen Augen, entschied Johansson, und kaum hatte er das entschieden, wurde es ein richtig lustiger Abend.
    Dass er sich auch wegen des nicht mitgebrachten Proviants keine Sorgen hätte zu machen brauchen, stand sofort fest, als sie sich am Tisch ihrer kleinen Küche niedergelassen hatten. Ausgezeichneter eingelegter Hering, gebeizter Lachs und Räucheraal, ein wirklich hervorragender Sardellenauflauf, der gerade sahnig genug war, goldbraune Frikadellen und dicke Würste, die zischten, als die Gastgeberin sie aus dem Ofen nahm. Bier und Schnaps waren in Massen vorhanden. Reich ist sie offenbar auch noch, dachte Johansson und nahm sich einen zusätzlichen Löffel Rührei mit fein gehacktem Schnittlauch. Sieht nett aus und ist eine unterhaltsame Gesprächspartnerin. Kocht wie Tante Jenny, ist noch dazu mütterlich, geduldig und … offenbar vermögend.
    »Ich wusste gar nicht, dass es solche wie dich überhaupt gibt«, sagte Johansson und trank seiner Gastgeberin zu. »Sag Bescheid, wenn du ein echtes Mannsbild treffen willst.« Ob sie wohl auch Bücher liest?, überlegte er.
    »Ich wusste gar nicht, dass du außer mir noch andere kennst«, sagte Jarnebring gutmütig. »Was hältst du davon, wenn wir das mit einem echten alten Genever runterspülen?«, fragte er und fischte aus den Reihen von normalen Flaschen einen dickbäuchigen Tonkrug hervor.
    Woher hat er bloß so viel Schnaps?, überlegte Johansson. Ob sie nun Geld hat oder nicht, sie wirkt jedenfalls nicht wie eine, die ihre Kohle für Schnaps ausgibt. Schon gar nicht in solchen Mengen, egal, was für ein Mannsbild sie gerade am Wickel hat.
    »Klingt gut«, sagte Johansson, der erst drei große Schnäpse intus hatte, von denen er noch nicht das Geringste merkte.
    Kaffee und Cognac wurden im Wohnzimmer serviert, zusammen mit Strömen von Likör und anderen Schätzen, und als Johansson die ganze Pracht sah, gab er sofort die

Weitere Kostenlose Bücher