Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
schlichte Mahlzeit mit Hummerbrühe, Lammfilet und Mangosorbet. Dazu einen Chablis, der leider ziemlich schwer ausfiel, einen hervorragenden Chambertin und einen guten Portwein Jahrgang 1934. Durchaus nicht das köstlichste Mahl, das sie zusammen genossen hatten, doch ihr Gespräch war wie üblich von ziemlich hohem Niveau.
»Hast du gewusst, dass Böglund für die Russen spioniert hat?«, fragte der Sonderbeauftragte und schnupperte an seinem Rotweinglas. Apfelsine, dachte er. Apfelsine und der Duft der Vergänglichkeit.
»Haben Türken braune Augen?«, schnaubte Forselius. »Ich warne sie jetzt seit fast vierzig Jahren vor diesem verdammten Schwulen, aber glaubst du, irgendwer hört mir zu?«
Böglund stammte nicht aus Dänemark. Er war ein schwedischer Diplomat, der gerade nach langer und überaus erfolgreicher Karriere in Pension gegangen war. Außerdem war er homosexuell, aber anders als die meisten hatte er diesen Umstand niemals verheimlicht. Bei Sicherheitspolizei und militärischem Nachrichtendienst galt es als offenes Geheimnis, dass er schon von Anfang an seine diplomatische Karriere mit seinem Spionage- Einsatz für die Russen in Schwung gebracht hatte. Natürlich hieß er auch nicht Böglund, also Schwulenhain, so heißt schließlich kein Mensch in Schweden. Es war sein Codename bei allen, die vergeblich versucht hatten, ihm sein Spiel zu verderben, und als Namenswahl möglicherweise nicht besonders gut, da auch Böglund selbst gern und oft mit diesem Spitznamen angab.
Böglund tauchte in Krassners Buch nur kurz auf, seine Spiona- getätigkeit und seine sexuelle Veranlagung wurden dokumentiert sowie die Folgen, die diese mit sich bringen konnte – »a sitting duck for the KGB call-boys« –, aber anders als alle anderen konnte Krassner auch erklären, warum er niemals überführt worden war. Er sei der Gesandte des Ministerpräsidenten bei den Russen und stehe damit unter Naturschutz.
»Ich wüsste wirklich gern, warum er nie aufgeflogen ist«, sagte der Sonderbeauftragte mit Unschuldsmiene und richtete seine halb geschlossenen Augen auf einen fernen Kristalllüster. »Wenn er es so lange gemacht hat, meine ich.«
»Bah«, grunzte Forselius. »Leute wie der stehen doch unter Naturschutz.«
Na gut, dachte der Sonderbeauftragte. Hier kann ich also keinen Stich machen.
Danach war er auf ein anderes Thema übergewechselt, und erst, als der Portwein serviert wurde und Forselius mit Weinen aus Burgund durch und durch abgefüllt war, warf der Sonderbeauftragte Köder und Haken ein weiteres Mal aus.
»Ich dachte an diesen Polen, von dem du mir erzählt hast«, sagte er mit derselben Unschuldsmiene. »Den, den ihr zwei Tage vor meiner Geburt umgebracht habt.«
»Da kannst du ganz ruhig sein, junger Mann«, kicherte Forselius. »Mit deiner Mutter hatte das nichts zu tun, das kann ich dir versichern.«
Du mich auch, du alter Arsch, dachte der Sonderbeauftragte, der es durchaus nicht schätzte, wenn über seine Mutter auf solche Weise gesprochen wurde.
»Ich bilde mir ein, du hast mir erzählt, dass er aus dem Fenster gefallen und sich bei diesem Fluchtversuch das Genick gebrochen hat? Krieg ich übrigens den Portwein?«
»Ja, wieso?«, fragte Forselius, kniff misstrauisch die Augen zusammen und stellte den Portwein in sichere Entfernung von seinem Gastgeber.
»Ich habe gehört, er sei erschossen werden. Kann ich bitte etwas mehr Portwein haben?«
»Ach, das hast du also gehört«, sagte Forselius listig und schob widerwillig die Karaffe hinüber.
»Ja«, der Sonderbeauftragte nickte und goss sich Portwein in sein Glas und auf die Tischdecke. »Dein alter Kumpel Buchanan hat ihn in der Pontonjärsgatan in Kungsholmen in den Rücken geschossen.«
Forselius sackte in seinem Sessel ein ganz klein wenig in sich zusammen, stellte sein Glas weg, faltete seine von Adern überzogenen Greisenhände auf seinem Bauch und schaute seinen Gastgeber forschend an.
»Meinen Glückwunsch«, sagte er und nickte beifällig. »Woher hast du Krassners Manuskript?«
»Woher hast du es denn?«, konterte der Sonderbeauftragte.
Forselius schüttelte langsam den Kopf und tippte sich mit dem Zeigefinger an seine breite Stirn.
»Ich habe keine Zeile davon gesehen«, sagte er. »Wofür hältst du mich? Ich habe John gekannt, ich war dabei, ich kann rechnen. So einfach ist das.«
Schön zu hören, dachte der Sonderbeauftragte. Noch brauche ich mir keine Sorgen zu machen.
»Erzähl«, sagte Forselius.
Danach erzählte der
Weitere Kostenlose Bücher