Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Sonderbeauftragte alles, er verschwieg lediglich, woher und von wem er Krassners Papiere bekommen hatte. Forselius hatte danach natürlich als Erstes gefragt.
»Ich verstehe ja, dass du mir nicht verraten willst, woher du sie hast, und dass es nicht über die üblichen Wege passiert ist.«
Der Sonderbeauftragte lächelte und nickte zustimmend. Denn dann hättest du nicht zu fragen brauchen, dachte er.
»Glaubst du, was darin steht?«
Der Sonderbeauftragte hatte sich das alles ausgiebig überlegt, ließ sich aber mit seiner Antwort trotzdem Zeit.
»Dem Lieferanten glaube ich«, sagte er. »Ich habe mir über die Lieferung durchaus meine Gedanken gemacht. Aber wenn ich an den Lieferanten denke, dann neige ich dazu, auch die Lieferung zu kaufen. Ja, doch.« Der Sonderbeauftragte nickte so nachdrücklich, wie jemand wie er sich das überhaupt erlauben konnte.
»Ja, dann«, sagte Forselius, und dann zogen sie in die Bibliothek um, wo die Haushälterin des Sonderbeauftragten Kaffee und Cognac aufgetischt und im offenen Kamin ein Feuer entfacht hatte.
Danach hatten sie über Geschäfte gesprochen.
Forselius teilte die Ansicht des Sonderbeauftragten. Bei der Sicherheitspolizei wusste sicher nur der Mann vor Ort, was Krassner gewusst hatte. Falls er sich überhaupt im Klaren über die Bedeutung der mitgenommenen Papiere gewesen war, und der von ihm vorgetäuschte Selbstmord wies leider in diese Richtung, dann müsste er zugleich größtes Interesse daran haben, die Sache zu verschweigen.
»Was meinst du?«, sagte der Sonderbeauftragte. »Soll ich versuchen herauszufinden, wer es ist?«
Forselius zuckte zögernd mit den Schultern.
»Ich glaube nicht, dass das klug wäre«, sagte er. »Wer will schon einen schlafenden Bären wecken? Und was könnten wir ihm antun, ohne dabei selber Schaden zu nehmen?«
Wie wahr, wie wahr, dachte der Sonderbeauftragte und seufzte in Gedanken tief. Denn wenn man sich die Sache genauer überlegte, dann stand es so schlimm, dass er und Forselius und eine Anzahl halb debiler Sicherheitspolizisten – von denen einer offenbar reichlich gestört war – Krassner aus einem normalen Trottel in eine Person verwandelt hatten, die für die Sicherheit des Landes von größter Bedeutung war.
Krassners Material? Jetzt, wo sie beide den Inhalt kannten, wie gefährlich erschien es ihnen nun?
»Das Außenministerium findet das sicher nur mäßig komisch«, sagte Forselius. »Die arbeiten doch rund um die Uhr, um die Mittellinienverhandlungen mit den Russen vorzubereiten.«
In der Ostsee sollten die Grenzen neu gezogen werden. Und mit einer eigenen und frischen öffentlichen Infragestellung der schwedischen Neutralitätspolitik am Verhandlungstisch zu erscheinen, würde Schweden garantiert nicht das Wohlwollen der russischen Gegenseite sichern.
»Was hältst du davon, wenn wir alles einfach verbrennen?«, fragte der Sonderbeauftragte.
»Was glaubst du, was dein geliebter Chef dazu sagen würde?«, kicherte Forselius.
»Er würde sich sicher nicht übermäßig freuen«, entgegnete der Sonderbeauftragte.
»Und was glaubst du, was er zu Krassner und dessen so genanntem Selbstmord sagen würde?«, fragte Forselius lachend.
»Er wäre nicht froh, sondern traurig und sehr, sehr müde«, sagte der Sonderbeauftragte und lachte so herzlich, dass sein Schmerbauch nur so hüpfte.
In dieser Hinsicht waren sie also einer Meinung. Mit Krassners Material wäre schon mal fertig zu werden, es sei denn, irgendein fähiger Verlagslektor hätte das hingesaute Manuskript an sich bringen und es für einen anständigen Verlag in ein Buch mit hartem Einband verwandeln können. Aber auch das hätte man mit der üblichen Mischung aus Verleugnen, Verschweigen und Verleumden des Autors, seines Lebenswandels und seiner Motive in den Griff bekommen. Man hätte vielleicht ein paar blaue Flecken oder Kratzer davongetragen. Aber es wäre möglich gewesen.
Aber jetzt nicht mehr. Jetzt wirklich nicht mehr.
»Warum zum Teufel ist er auch aus dem Fenster gepurzelt«, sagte der Sonderbeauftragte verärgert.
»Na ja«, sagte Forselius und leerte sein Glas. »Du hast nicht zufällig mehr?«
Er zeigte auf die inzwischen geleerte Flasche Frapin 1900.
»Willst du dich über mich lustig machen?«, fragte der Sonderbeauftragte. »Natürlich hab ich mehr, zum Teufel. Ich habe jede Menge. Du willst nicht lieber Whisky?«, fügte er hinzu, denn er hatte eigentlich keine Lust, mitten in der Nacht in seinem Weinkeller auf die Suche zu
Weitere Kostenlose Bücher