Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Wenn der Chef mal einen Blick in diese Zeitschrift wirft.« Sein Besucher hielt ihm eine dicke Zeitschrift mit buntem Umschlag entgegen, aber in diesem Moment klingelte schon wieder das Telefon.
»Leg sie auf den Stuhl«, sagte Jarnebring und nahm den Hörer. »Jarnebring«, sagte er dann kurz und winkte Oredsson mit einer linken Hand, die keinen Widerspruch duldete, aus dem Zimmer.
Was nehmen die im Moment bloß für Leute an, dachte er gereizt.
*
»Der Kriminaldirektor ist derzeit nicht im Haus«, sagte Johanssons Sekretärin mit ihrer üblichen kühlen Stimme. »Er musste dringend etwas erledigen. Nein, er kommt heute nicht mehr zurück. Sie können ihn morgen früh um acht erreichen. Ja, ich werde ihm ganz bestimmt Bescheid sagen.« Sie legte den Hörer hin und griff zu einem Notizzettel. »Kriminalkommissar Bo Jarnebring hat angerufen. Bittet um baldestmöglichen Rückruf. Wichtig, die Nummer hast du.« Sie schaute auf die Uhr, 15.33, und notierte außerdem Uhrzeit und Datum auf dem Zettel. Jarnebring, dachte sie. Wie hat der es bloß zum Kommissar gebracht?
*
Jarnebrings Wangen und Ohrläppchen waren leicht gerötet. Das lag daran, dass er ungeheuer überrascht war, was ihm sonst so gut wie nie passierte. Wütend war er fast ununterbrochen, aber Erstaunen erschien ihm als ein Privileg von Kindern und Intellektuellen. Auf dem Tisch vor ihm lag eine durchsichtige Plastiktüte mit erbrochener Versiegelung, und in der Tüte lag ein kräftiger rechter, kurzer Stiefel. Neben der Tüte stand ein linker Stiefel, und vor ihm auf dem Schreibtisch lag eine aufgeschlagene Zeitschrift, die in einem Polizeigebäude eigentlich nichts zu suchen hatte. Dazu gab es noch einen Schlüssel, der zu einem Safe oder einem Schließfach zu gehören schien, sowie einen kleinen Zettel, auf den jemand mit der Hand zwei Zeilen geschrieben hatte, Jarnebring starrte den Zettel an. Was soll das, zum Teufel, dachte er. Da will irgend so ein Arsch mich wohl verarschen, dachte er. Uns, korrigierte er sich dann.
Dienstag, 26. November
Johansson hatte lange geschlafen. Er zog das Rollo in seinem Schlafzimmer zu einem Zeitpunkt hoch, zu dem er sich normalerweise bereits auf dem Weg ins Büro befand. Draußen schien von einem blauen Himmel eine bleiche Morgensonne, und das Thermometer am Fensterrahmen zeigte zwei Grad über Null. Hervorragend, dachte Johansson, höchste Zeit, dass ich anfange zu leben wie ein Mensch. Zuerst duschen, dann Frühstück und die Morgenzeitung und danach ein kräftigender Spaziergang zum Arbeitsplatz. Zu dem Arbeitsplatz, auf dem man offenbar vorankommen konnte, wenn man sich Mühe gab, wie er selbst zum Beispiel. Bürochef, dachte er zufrieden. Und wenn ich mich danebenbenehme, krieg ich ein Transportzeugnis und werde im Sommer zum Landespolizeichef ernannt.
Johansson hatte für die Strecke Wollmar Yxkullsgatan bis Polhemsgatan einen neuen Rekord aufgestellt, als er den Eingang zum Landespolizeigebäude durchquerte. Liegt sicher am Schwimmen, dachte er überrascht und schaute noch ein weiteres Mal auf die Uhr, als er das Zimmer seiner Sekretärin betrat. Dasselbe kühle Lächeln, dachte er, als sie ihm die Tagespost und allerlei andere Schriftstücke überreichte. Nichts davon kam ihm jedoch bedrohlich vor.
»Der Landespolizeichef lässt ausrichten, dass er mit deinem Gutachten sehr zufrieden ist«, sagte sie.
Natürlich, dachte Johansson.
»Und ein Kommissar Bo Jarnebring hat mehrmals angerufen«, sagte sie dann. »Einmal gestern Nachmittag und heute Morgen schon zweimal. Es scheint sehr dringend zu sein.«
Jarnebring, dachte Johansson mit gemischten Gefühlen. Noch immer sein bester Freund, auch wenn die Beziehung in letzter Zeit nicht gerade ungetrübt gewesen war.
»Ruf ihn an, dann übernehme ich das Gespräch«, sagte er. Privileg des Chefs, dachte er dann und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
»Long time no see«, sagte Jarnebring. Er klang überraschend gut gelaunt. Fast schon ausgelassen, dachte Johansson überrascht.
»Ja, wir sollten uns vielleicht mal treffen«, sagte Johansson.
»Genau«, sagte Jarnebring.
»Wann passt es dir denn?«, fragte Johansson und schielte zum Kalender auf seinem Schreibtisch hinüber. Besser, wir machen gleich klar Schiff, dachte er.
»In einer Viertelstunde hier bei mir«, sagte Jarnebring. »Ich kann dich holen lassen, wenn du zur Abwechslung mal mit einem Streifenwagen fahren möchtest statt mit einem Taxi.«
»Ist was passiert?«,
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