Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Johansson.
Frau Carlander schüttelte langsam den Kopf.
»Nein«, sagte sie zögernd. »Aber wenn es eins gab, dann hat die Filialleiterin das sicher gelöst.«
»Sie können sich nicht zufällig an ihren Namen erinnern?«, fragte Johansson.
»An ihren Namen«, antwortete Frau Carlander vage. »Mit Vornamen heißt sie Pia, so viel ich weiß. Aber den Nachnamen weiß ich nicht, ich meine, ich weiß ihn schon, aber manchmal vergesse ich so was einfach. Neulich hatte ich das Wort Nabel vergessen. Ich telefonierte mit einem meiner Enkelkinder, und plötzlich war diese Bezeichnung einfach weg. Der Kleine glaubt sicher, seine Oma habe den Verstand verloren, der Arme.«
»Das findet sich schon«, sagte Johansson beruhigend. »So was kriegen wir von der Polizei heraus.« Die peppige Pia, dachte er.
»Das glaube ich auch«, sagte Frau Carlander voller Überzeugung. »Ich bin ganz sicher, dass sie Ihnen auffallen wird. Sie hat so ein Aussehen, das euch Mannsbildern auffällt, wenn ich das mal sagen darf.«
Zeit zu gehen, dachte Johansson und lächelte Frau Carlander an.
»Ja, Frau Carlander, dann darf ich mich bedanken …«
»Sie wollen mir nicht erzählen, was dieser Mann angestellt hatte? Geht es um Drogen und sonstige Scheußlichkeiten?«
Johansson schüttelte den Kopf und lächelte beruhigend.
»Nein, nicht, dass wir wüssten«, sagte er. »Er steht unter gar keinem Verdacht.«
»Nicht?«, sagte Frau Carlander, und sie schien nicht ganz überzeugt zu sein.
»Nein«, erklärte Johansson noch einmal. »Wir versuchen einfach, herauszufinden, wer er war.«
Frau Carlander nickte noch einmal, aber sie wirkte noch immer nicht ganz überzeugt.
*
Frau Carlander hatte wirklich Recht. Pia hatte dieses Aussehen, das Mannsbildern auffällt; dunkle kurze Haare, blaue Augen, großer Busen, schmale Taille. Außerdem hieß sie mit Nachnamen Hedin. An ihren Beinen ist sicher auch nichts auszusetzen, dachte Johansson, aber da sie einander auf zwei Seiten des Schalters gegenüberstanden, konnte er das nicht so einfach beurteilen.
Johansson hatte sich vorgestellt und ihr seine Visitenkarte überreicht. Er hatte außerdem registriert, dass sie überraschter wirkte, als sein Rang und sein Name erwarten ließen. Dann lächelte sie ihn freundlich an und nickte fragend.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Kriminaldirektor?«
Johansson reichte ihr Krassners Foto.
»Sie haben offenbar vor ungefähr einem Monat mit diesem Mann gesprochen. Er brauchte Hilfe beim Versenden eines Briefes.«
Sie nahm das Foto in die Hand, und Johansson sah, dass sie das Gesicht auf dem Bild erkannte. Dann lächelte sie noch einmal freundlich und nickte zu seiner Visitenkarte auf dem Tisch hinüber.
»Sie haben nicht zufällig einen Dienstausweis dabei?«, fragte sie. »Ich will Ihnen ja keine Umstände machen, aber auch wir haben unsere Vorschriften.«
Wie konnte ich das nur vergessen, dachte Johansson und fragte sich, wie viele Selbstbehauptungskurse sie wohl besucht haben mochte. Er lächelte entschuldigend und hielt ihr seinen Dienstausweis entgegen. Anders als fast alle anderen sah sie ihn sich genau an. Dann lächelte sie noch einmal, und Johansson wusste, dass Frau Carlander eine Frau war, die die Männer besser kannte als die meisten Frauen, die nur halb so alt waren wie sie.
»Stimmt«, sagte sie. »Ich erkenne ihn wieder, und ich habe ihm damals geholfen, diesen Brief an Sie zu schicken.«
Was zum Teufel redet sie da?, dachte Johansson, und Pia Hedin war eine ebenso gute Beobachterin wie er, denn sie lächelte nur kurz und nickte in Richtung Hinterzimmer.
»Wir könnten uns in mein Büro setzen«, schlug sie vor. »Da können wir ungestört reden.«
Fesche Beine, dachte Johansson, als er ihr in ihr Büro folgte, das ist immerhin ein kleiner Trost in dieser undurchsichtigen Sache.
Etwa über einen Monat zuvor hatte Krassner das Postamt im Körsbärsvägen betreten und einen Brief an das Postamt Stockholm 4 in der Folkungagatan geschickt, postlagernd, an Herrn Kriminaldirektor Lars Martin Johansson. Sie hatte ihm dabei geholfen, sagte aber nicht, was sie dazu veranlasst hatte.
»Es war schon ein seltsamer Wunsch. Wir haben fast nie postlagernde Briefe, und wenn, dann kommen sie in der Regel aus dem Ausland. Wie Sie sicher wissen …«
»Sag doch du«, bat Johansson, was ihm ein Nicken und ein Lächeln einbrachte.
»Wenn man einen postlagernden Brief in eine unserer Filialen schickt, dann wird er dort einen Monat lang
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