Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Überraschung. »Der hatte nichts anzubieten?«
»Ich hatte mir vorgestellt, dass er etwas über ihn wissen könnte, dass Vindeln Krassner schon mal gesehen hätte, wo sie doch in derselben Gegend gewohnt haben. Einfach ein Versuch ins Blaue hinein«, sagte Johansson und seufzte.
»Du hast also rein gar nichts herausgefunden, mit anderen Worten.«
»Nein«, log Johansson. »Rein gar nichts.«
»Das ist doch kein Grund zum Verzweifeln«, sagte Jarnebring. »Der gute Krassner scheint ja nicht gerade viele Bekannte gehabt zu haben.«
»Ach, das nicht«, sagte Johansson. »Wie meinst du das eigentlich?«
»Ich habe heute Nachmittag mit der Botschaft gesprochen, na ja, mit Hultman eben, und Verwandte hatte er offenbar keine.«
»Ja, Hultman macht sich ein bisschen Sorgen, weil er Krassners Kram doch irgendwohin schicken muss.«
Nicht mein Problem, dachte Johansson.
»Und der einzige Mensch, den die Kollegen drüben erwischen konnten, war wohl eine alte Freundin. Aber sie behauptet, dass zwischen ihr und Krassner schon seit einer Ewigkeit Schluss war. Sagt Hultman.«
Alte Freundin, dachte Johansson, und zugleich schrillten die bekannten Alarmglocken in seinem Kopf.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Johansson. »Hat Hultman mit Krassners Verflossener gesprochen?«
»Bist du betrunken, Johansson?«, fragte Jarnebring freundlich.
»Stocknüchtern«, sagte Johansson. »Ein bisschen müde vielleicht.«
»Ich verstehe«, sagte Jarnebring diplomatisch. »Unsere Kollegen in den USA, die feststellen wollten, wer Krassner eigentlich war, haben mit einer ehemaligen Freundin von ihm gesprochen. Ich habe übrigens eine Abschrift dieses Gesprächs bekommen. Erstens sagt sie, dass sie schon vor ungefähr zehn Jahren mit ihm Schluss gemacht hat …«
»Jaa«, sagte Johansson. »Ich höre.«
»Scheiße, unterbrich mich doch nicht dauernd«, sagte Jarnebring. »Wo war ich?«
»Alte Freundin, die vor zehn Jahren Schluss gemacht hat.«
»Genau«, sagte Jarnebring mit dem Nachdruck, der alle kennzeichnet, die soeben einen verlorenen Faden wiedergefunden haben. »Und zweitens scheint sie nicht zu seinen heißesten Fans zu gehören.«
»Vielleicht hat sie deshalb Schluss gemacht«, sagte Johansson.
»Sicher«, sagte Jarnebring, »aber Krassner hat das wohl nicht so ganz mitbekommen, denn er hat sie als nächste Angehörige benannt, und außerdem wurde ein Testament gefunden, in dem er ihr seinen gesamten Kram hinterlässt. Was das für Kram ist, entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich wette meinen alten Bullenhelm darauf, dass es sich nicht gerade um Milliarden handelt.«
»Hat sie einen Namen?«, fragte Johansson unschuldig.
»Sarah irgendwas. Hab ich im Büro.«
Sarah J. Weissman, dachte Johansson und biss sich auf die Zunge.
»Ach«, sagte Johansson. »Ja, ehrlich gesagt habe ich diese Geschichte inzwischen ziemlich satt.«
»Schön zu hören«, sagte Jarnebring. »Und du …«
»Ja«, sagte Johansson.
»Hab eine schöne Reise und pass da drüben auf dich auf. Das wollte ich dir eigentlich sagen, als ich angerufen habe.«
»Danke«, sagte Johansson. »Pass du auf dich ebenfalls auf.«
Das hier wird immer kurioser, dachte er dann, als er den Hörer auf die Gabel gelegt hatte.
Samstag, 30. November
Am Samstag, dem 30. November, nahm Lars Martin Johansson eine frühe Morgenmaschine nach New York. Als Reisegesellschaft hatte er zwei Kommissare vom Landeskriminalamt. Hervorragende Polizisten und sympathische Burschen.
Fuck you, Krassner und fuck you, Weissman, dachte Johansson. Denn jetzt will ich mich amüsieren und vielleicht sogar etwas Neues lernen, das ich zu irgendetwas gebrauchen kann.
»Ich überlege, ob ich zum Mittagessen nicht einen Schnaps trinken soll«, sagte Johansson und grinste.
Sein Kollege von der Drogenfahndung des Landeskriminalamtes nickte nachdrücklich. »Auf diesen Gedanken bin ich auch schon gekommen.« Auch der Kollege von der Interpolabteilung nickte. »Seltsam«, sagte er. »Just dasselbe dachte ich eben auch. Das Leben geht manchmal wirklich seltsame Wege.«
II
Frei fallen wie im Traum
Stockholm, siebziger und achtziger Jahre
Im Herbst 1976 hatte die Sicherheitspolizei eine externe Gruppe eingerichtet, um ihren Operationsschutz zu vergrößern. Diese Gruppe erhielt den Projektnamen »Gruppe für innere Sicherheit und Schutz vor undichten Stellen« und bildete den allergeheimsten Teil der geheimen Polizeiarbeit. Um sich vor Entdeckung zu schützen, hatten sie
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