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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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feststellen, was diese Figur hier eigentlich treibt.«
    »Intellektuelle Hinterlassenschaft«, sagte der Sonderbeauftragte und schaute Berg mit seinem üblichen schrägen Lächeln an. »Was meint er denn damit?«
    »Das wollen wir gerade herausfinden«, sagte Berg. »Ich glaube kaum, dass er hier Material über die Zeit sammeln will, die sein Onkel in Stockholm an der Botschaft verbracht hat.«
    »Ich habe Krassners so genannte investigative Reportage gelesen«, sagte der Sonderbeauftragte. »Der inhaltliche und intellektuelle Gehalt, von der Sprache ganz zu schweigen, erweckt in mir ein leichtes Gefühl von Unbehagen. Nicht zuletzt beim Gedanken, dass Buchanan sein Onkel war.«
    »Wir werden ja feststellen, was er hier treibt«, sagte Berg nachdrücklich.
    »Ich wäre dir dafür sehr verbunden, mein Freund«, sagte der Sonderbeauftragte und nickte ohne die geringste Andeutung eines Lächelns.
     
    *
     
    Waltin misstraute Forselius. Ein seniler alter Knacker, der sicher jede Möglichkeit nutzte, um sich in einem ansonsten sinnlosen Dasein ein wenig Gesellschaft zu verschaffen, nach seinen eigenen Bedingungen und um einen geringen Preis. Außerdem konnte er ums Verrecken nicht begreifen, was an der ganzen Sache so wichtig sein sollte. Schwedens politische Geschichte in allen Ehren, denn das hatte Berg jedes Mal angedeutet, wenn er danach gefragt hatte, aber solche Themen ließen die Medien doch nach dem üblichen Durchgang von einigen Wochen normalerweise fallen, und ihn selbst ließ die Sache absolut kalt. Waltin bevorzugte es, in der Gegenwart zu leben, doch sein Chef ließ ihm keine Wahl.
    Trotz seines Widerstands hatte Waltin weitere Leute einstellen müssen. Er hatte die Sache als einfache und praktische Annäherungsmöglichkeit an die kleine Jeanette gesehen, die eigentlich erst siebzehn war. Im Grunde ging es hier nur um ihn und sie, und in dem von ihm geplanten Handlungsverlauf war nun wirklich kein Platz für eine Menge jüngerer, vor Testosteron strotzender Kollegen. Es war schlimm genug, dass sie sich nun ausgerechnet den Neger von Krassners Gang als Gesprächspartner ausgesucht hatte. Neger hatten riesige Schwänze, das wusste Waltin, denn das hatte er in einer Untersuchung über die schwanzmäßige Länge und Breite bei ganzen Jahrgängen von Wehrpflichtigen aus verschiedenen Ländern gelesen. Es handelte sich dabei um eine im UN-Auftrag durchgeführte internationale Studie, und die Ziffern, die die afrikanischen Mitgliedsländer gemeldet hatten, waren ganz einfach beängstigend gewesen. Außerdem hatte er es mit eigenen Augen gesehen, als er vor einigen Jahren nach einer Sicherheitskonferenz von Kollegen vom bundesdeutschen Verfassungsschutz in einen privaten Sexclub bei Wiesbaden geschleppt worden war.
    Es war nicht ganz einfach gewesen, eine funktionierende und vollzählige Ermittlungsgruppe um sich zu scharen, und ehe er alles beisammen gehabt hatte, hatte er einige aus seiner eigenen Abteilung abziehen müssen. Er hatte versucht, das Beste aus der Sache zu machen, und der kleinen Jeanette eingeschärft, dass der Einzige, mit dem sie persönlichen Kontakt halten sollte, in ihrer neuen Rolle als Verbindungsfrau und Koordinatorin, er selber war, aber allein die Tatsache, dass sie mit anderen Kollegen zu tun hatte, mit jungen, durchtrainierten Polizisten, die im Grunde ja doch nur einen einzigen Gedanken in ihren kurzgeschorenen Köpfen beherbergten, war für ihn schlimm genug. Einer davon hieß Martinsson und wurde allgemein Pille genannt – was für ein bizarrer Spitzname für einen Polizisten! Er war gerade dreißig geworden, spielte Gitarre, schrieb eigene Lieder und hatte lange Haare. Seinen Spitznamen hatte er sicher schon zu Schulzeiten bekommen, bestimmt, nachdem er allerlei Polizeitussen durchgevögelt hatte. Ein Jahr zuvor hatte Waltin ihn eigenhändig von der Drogenfahndung in Solna geholt, aber er war wirklich keiner, den man auf ein junges unschuldiges Mädchen wie Jeanette loslassen durfte, denn sie war doch erst siebzehn.
    Aber egal. Am Freitag, dem 31. Oktober in aller Frühe, hatte Martinssons unmittelbarer Vorgesetzter sich telefonisch bei Waltin gemeldet. Könnte der Leitende Polizeidirektor sich wohl mit ihm und dem jungen Martinsson treffen? Möglicherweise hatten sie einen Zugang zu Krassner gefunden.
    »Erzähl«, sagte Waltin und nickte Martinsson zu, der auf der anderen Seite von Waltins riesigem Schreibtisch saß und sich im Wandspiegel hinter Waltins Rücken bewunderte.

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