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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Augen kam ihr ganz echt vor.
    Sie hatte die Sache mit Bravour gemeistert: alter Kumpel vom Gymnasium. Sie kannten einander eigentlich doch nicht so gut. Sie hatte gehört, dass er Jura studierte, und ihn deshalb fragen wollen, ob er ihr einige Bücher ausleihen könnte. Aber das sei kein Problem, versicherte sie. Sie habe auch noch andere, die sie fragen könnte.
    »Möchtest du einen Kaffee?« Er sah sie an, freundlich und höflich.
    »Ich wollte gerade in die Cafeteria gehen und mir einen Kaffee holen.« Sein Lächeln war jetzt breiter und fast ein wenig flehentlich.
    »Na gut«, sagte Jeanette, nickte und lächelte. Das geht ja eigentlich viel zu leicht, dachte sie.
    Zuerst hatte Daniel von sich selbst erzählt, danach hatte er sich nach ihr erkundigt, und sie war mit ihren Antworten durchaus zufrieden gewesen. Studierte Kriminologie, das lief so irgendwie, drittes Semester, sie wusste nicht genau, was sie werden wollte, wohnte in einer Einzimmerwohnung in Solna, das lief auch so irgendwie, sie war meistens mit Büffeln oder Schlafen beschäftigt, nicht gerade prickelnd, aber das Leben war eben so.
    »Aber dein Mitbewohner, der mich nicht reinlassen wollte, der kam mir auch nicht gerade glücklich vor«, sagte Jeanette und kicherte. »So ein Griesgram!«
    »Ich kenne ihn kaum«, meinte Daniel. »Er wohnt erst seit einer Woche hier. Amerikaner. Irgendwie ein komischer Typ.«
    »Mir kam er auch ziemlich alt vor«, sagte Jeanette mit genau dem richtigen Lächeln. »Was studiert der denn überhaupt?«
    »Er behauptet, dass er ein Buch schreibt. Etwas Politisches, Staatswissenschaft, über Schweden und schwedische Politik. Nicht gerade mein Fachgebiet«, sagte M’Boye und lächelte strahlend, während er sich zugleich zu ihr vorbeugte.
    Zeit zum Aufbruch, dachte Jeanette und lächelte schüchtern zurück. Natürlich hatte er nach den ebenso natürlichen Ausflüchten ihre Telefonnummer bekommen. Die neue Geheimnummer, die ihr schon am Freitagnachmittag zugeteilt worden war und die sie hoffentlich nicht sehr lange benötigen würde.
     
    *
     
    Die wöchentliche Besprechung mit seinem Auftraggeber war ausnahmsweise einmal absolut problemlos verlaufen. Berg hatte eine kleine Problemmixtur dargeboten: Jugoslawen, Kurden und den Weitergang der Untersuchungen über antidemokratische Elemente bei Polizei und Militär.
    »Es geht langsam«, sagte Berg, »aber es geht voran.«
    Der Sonderbeauftragte hatte genickt, ein leichtes, aber doch zustimmendes Nicken.
    Nach der Besprechung hatte er Berg beiseite genommen.
    »Wie läuft’s?«, fragte er.
    »Ich hoffe, dass ich am Freitag etwas für dich haben werde«, sagte Berg. »Wir trauen uns nicht, zu viel Wind darum zu machen, deshalb dauert es seine Zeit.«
    »Klug«, sagte der Sonderbeauftragte, und zu Bergs Überraschung klopfte er ihm auf den Arm.
    Er scheint besorgt zu sein, dachte Berg. Warum?, überlegte er. Was weiß er, das ich nicht weiß?
    »Wie läuft’s?«, fragte Berg Waltin, der hinter seinem Schreibtisch saß und in seine ohnehin schon perfekte Bügelfalte kniff.
    »Es geht langsam, aber es geht voran«, sagte Waltin. »Willst du wissen, wie er aussieht?«
    Waltin reichte ihm eine Plastikhülle mit Fotos.
    Mit Teleobjektiv aufgenommene Fotos von Krassner, der gerade sein Studentenwohnheim verließ oder betrat, kräftige Stiefel, Jeans, dicke wattierte Jacke, barhäuptig in einem Fall, mit Strickmütze in einem anderen, Großaufnahmen seines Gesichts, mager, verbissen. Eine Person mit einer Idee, dachte Berg, dem nicht gefiel, was er sah.
    »Weißt du etwas über seine Gewohnheiten?«
    »Scheint sich meistens auf seinem Zimmer einzuschließen und auf der Schreibmaschine herumzuhämmern«, sagte Waltin. »War in der Stadtbibliothek, der Universitätsbibliothek und der Königlichen Bibliothek. Gestern Abend hat er im Presseclub ein paar Bier getrunken. Ist danach den ganzen Weg nach Hause zu Fuß gegangen. Hat erst gegen zwei das Licht ausgemacht.« Die kleine Jeanette weiß wirklich, was sie tut, dachte er zufrieden.
    »Hast du genug Leute?«
    »Ja«, sagte Waltin. Was ist hier eigentlich los?, dachte er.
    »Haben wir jemanden in seiner Nähe?«
    »Ja«, sagte Waltin.
    »Von unseren?«
    »Ja«, sagte Waltin.
    »Wie ist er denn so?«
    »Einzelgänger, ein bisschen geheimnisvoll, ein bisschen stur. Grüßt seine Zimmernachbarn, hat aber sonst keinen Kontakt zu ihnen. Klebt Haare an seine Tür, wenn er abschließt und weggehen will. Ja, du weißt, die Sorte.« Berg

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