Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Organisationen aktiv. Der Dritte war dieser Neger, den die Sozigewerkschaft ins Land geschleppt hatte, und man brauchte ja wohl nicht bei der Sicherheitspolizei zu arbeiten, um zu wissen, wo er politisch stand. Der Vierte war Krassner selbst, den die Gehilfin vor Ort als fast paranoid bezeichnete. Blieben noch der absolut durchtrainierte Sportstudent, der schon auf dem Gymnasium einen Türsteher zu Boden geschlagen hatte, sowie ein Technologiestudent und ein Student der Handelshochschule, über die, so viel Waltin wusste, immerhin nichts Negatives vorlag. Das pure Traumpublikum für einen Einbruch, dachte Waltin und verzog spöttisch den Mund.
An sich gab es keine komplizierten Schlösser, und Nachschlüssel für die Flurtür und für Krassners Zimmer hatten sie mit Hilfe eines rechtschaffenen Angestellten der Hausverwaltung bereits zur Hand. Natürlich hatte dieser Angestellte sich den Ermittlern der Polizei in ihrem Kampf gegen Drogen zur Verfügung gestellt. Er hatte selbst Kinder und wusste, worum es ging. »Nehmt euch diese Scheißdealer nur vor.« Schlüssel waren aber auch das geringste Problem, wenn man auf Waltins Niveau arbeitete, andere Dinge bereiteten ihm viel größeres Kopfzerbrechen. Wie konnte er dafür sorgen, dass einige seiner zuverlässigsten Mitarbeiter ungestört in Krassners Zimmer eindringen konnten, um dort in Ruhe und Frieden und mindestens eine Stunde lang dessen Papiere und sonstige Habseligkeiten durchzusehen? Die kleine Jeanette Eriksson hatte sich zu diesem Einsatz angeboten, aber das war einfach ausgeschlossen, aus Gründen, die nichts mit dem Risiko zu tun hatten. In Waltins Welt war das eben keine Beschäftigung für eine junge Frau. Es war schlimm genug, dass sie sich an diesen Neger heranmachen musste, um in Krassners Nähe zu gelangen. Jetzt galt es, sie so schnell wie möglich ins Haus zurückzuholen.
Krassner machte einen äußerst misstrauischen Eindruck, was nicht überraschen konnte, wenn man daran dachte, wessen »getreuer Waffenträger« er gewesen war, und schon an einem der ersten Tage, an dem Jeanette den Neger besucht und sich in der Küche zu schaffen gemacht hatte, hatte sie beobachtet, wie er ein Haar an die Tür klebte, als er sein Zimmer verließ.
In diesem Fall handelte es sich um ein kleines Papierfähnchen, das er oben auf die Tür legte, und das natürlich nicht mehr vorhanden sein würde, wenn jemand in Krassners Abwesenheit die Tür öffnete. Eine einfache Standardmaßnahme bei der Polizei, bei Kriminellen und bei allen anderen, die ganz allgemein misstrauisch waren.
Dieses Misstrauen sprach auch dagegen, den Flur, auf dem Krassner und die anderen wohnten, durch eine akute Situation zu leeren, durch einen falschen Feueralarm zum Beispiel. Eine solche Lösung widersprach außerdem dem Prinzip der Diskretion, das Waltin in seiner professionellen Praxis wichtig nahm. So wenig Einmischung wie möglich, so wenige Maßnahmen wie möglich, und diese so wenig sichtbar wie möglich. Ganz einfach Mikrochirurgie.
Der Freitagabend erschien als passender Zeitpunkt für einen Hausbesuch bei Krassner. Die Studenten waren dann in der Regel zu irgendwelchen Festen unterwegs, wenn sie nicht für ein Examen büffelten oder das Fest im eigenen Gang stattfinden ließen. Freitagabend, der 22. November, dachte Waltin, nachdem er im Kalender nachgesehen und sich mit der kleinen Jeanette besprochen hatte. Dann würde zumindest einer der Bewohner zu seinen Eltern fahren, einer wollte anderswo ein Fest besuchen, zwei weitere würden Gratiskarten für ein Konzert bekommen, zu dem sie eigentlich gewollt hatten, für das sie aber keine Karten mehr erwischt hatten. Um den Neger sollte Jeanette sich kümmern, dachte Waltin, und Krassner war sein Problem. Forselius, dachte Waltin. Es war wirklich höchste Zeit, diesem übellaunigen Drecksopa eins auf die Finger zu geben. Eins stand jedoch noch aus. Er brauchte einen tüchtigen Mitarbeiter, der die eigentliche Operation durchführen konnte, und in diesem Zusammenhang dachte er an Hedberg. Was ja nur natürlich war, da er zu Hedberg als Einzigem wirklich Vertrauen hatte.
IX
Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Albany, New York State, Sonntag, 8. Dezember
Das Zimmer, in dem sie saßen, war groß und hell, es hatte einen offenen Kamin und einen Erker, die Wände waren mit Büchern bedeckt, vor dem Kamin stand ein riesiges Sofa, dazu tiefe Sessel mit Fußschemeln. Ganz offenbar war das Zimmer von
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