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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
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zu und hob den Kopf, um in diese roten Augen zu schauen. Hinter ihm ging die Tür auf. Die Klinke knallte gegen die Kacheln.
    Es war Justus.
    »Scheiße, heulst du?«
    »Verpiss dich.«
    »Was ist los, Mann. Alex, was hast du denn, dass du auf einmal abhaust?«
    Mit einem verzweifelten Atemzug nahm er all die Kraft, um auszusprechen, was sich die ganze Zeit schon in ihm aufgestaut hatte. »Scheiße, Justus. Was willst du eigentlich? Merkst du nicht, wie lächerlich es ist, dass du auf einmal aufkreuzt mit deinem dicken BMW und all dem Geld.« Die Worte schnürten ihm den Hals zusammen. Er wusste nicht, wohin mit seinen Händen. Er riss einen Stapel Papierhandtücher aus dem Spender und knüllte sie zusammen. »Du glaubst, alle bewundern dich, du bist der Größte, auf einmal wächst die Familie zusammen? Dank dir? Du versöhnst alle mit Papa. Klar. Denn jetzt bist du ja der Gewinner.« Er schleuderte das Papier in die Ecke.
    Justus war näher getreten und hob beschwichtigend die Hände. »Meinst du, ich merk nicht, wie du mich den ganzen Tag anschaust? Kannst du mir nicht einmal etwas gönnen, einmal respektieren, was ich erreicht habe. Ich stand ganz unten. Ganz unten!« Er fuchtelte mit seinem Finger Richtung Boden, wie um es zu verdeutlichen. »Aber im Gegensatz zu Mama und dir heul ich nicht rum. Ich steh wieder auf, wenn ich am Boden liege.«
    »Weißt du noch, wie du Papa gehasst hast?« Alex’ Stimme troff inzwischen vor Zynismus. »Du hast ihm den Tod gewünscht, wenn er Mama geschlagen hat. Wenn es nach dir geht, gibt es nur ganz oder gar nicht. Geben oder nehmen. Fressen oder gefressen werden. Lieben oder hassen. Nur Leben oder Tod …Ich weiß noch, wie du bei Mama gebettelt hast, weil du dachtest, dass du gerade ganz tief unten bist und sie dir helfen muss. Denkst du etwa, dass du jetzt wieder ganz oben stehst. Wach doch mal auf, Justus. Du bist nicht raus aus der Scheiße. Du steckst mitten drin.«
    Justus lachte wenig überzeugend. Seine Augen beobachteten Alex misstrauisch und ein wenig verunsichert.
    »Der Job ist absolut sicher, Mann. Wer heute noch bei der Bank arbeitet, ist nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe. Wenn es nicht läuft, bist du weg. Ich arbeite für einen Freund. Ihm kann ich vertrauen. Der steht nicht eines Tages vor mir und sagt mir, dass irgendein Pole oder Chinese meinen Job macht. Das ist meine Chance. Also tu nicht die ganze Zeit, als wüsstest du es besser mit deinen siebzehn Jahren. Du musst dem Leben in die Augen schauen, wenn du gewinnen willst.«
    Alex zuckte nur mit den Schultern und wischte sich mit einem Blick in den Spiegel die Tränen aus dem Gesicht.
    »Siehst du nicht, dass Mama sich freut? Sie hat mir verziehen. Ich hab die ganzen Jahre Scheiße gebaut, alles verkackt. Heute stehe ich da und will euch nicht nur das Geld zurückgeben. Kannst du nicht einfach auch verzeihen?«
    Alex schaute ihn an. Aus Wut wurde Mitleid.
    »Dieses Leben verzeiht niemandem. Vergessen hast auch du noch nicht. Sonst würdest du auf den ganzen Scheiß hier einfach verzichten. Es ist nicht alles neu, nur weil dein Auto und dein Outfit neu sind. Darin steckt der Gleiche, der vor drei Jahren abgehauen ist.«
    Er spuckte ins Waschbecken und stürmte aus der Toilette.
    Seine Mutter, die schon wieder den Tränen nah war, ließ er wortlos am Tisch sitzen und riss die Tür auf.
    Die Luft draußen fühlte sich kühl und klar an. Alex wollte nur weg, doch auf dem Parkplatz holte sein Bruder ihn ein. Eine feste Hand packte Alex am Hemdkragen und zerrte ihn herum, sodass er Justus’ Bierfahne riechen konnte.
    »Scheiße, Alex. Warum machst du alles kaputt.« Er wirkte machtlos, wie er da stand und Alex weiter festhielt. Fast hätte er Mitleid mit seinem großen Bruder gehabt, aber er konnte ihn nur verachten.
    Alex riss sich los und stolperte weiter über das Pflaster.
    »Was bist du für ein beschissener Bruder. Denkst du, du machst es besser dadurch? Denkst du, du veränderst was, wenn du an nichts glaubst?«
    »An was glaubst du denn?«, schrie Alex heraus.
    Es war viel zu still auf dem Parkplatz. Nur die Werbefahnen der angrenzenden Autowerkstatt flatterten.
    Justus hatte die Ärmel aufgeknöpft und hochgekrempelt und strich sich mit der Hand die Haare aus der Stirn. »Mann, Alex.«
    »Was ist das?«, fragte Alex mit kühler Stimme, als er die Narben auf Justus’ Unterarm sah. Dabei wusste er genau, was sie zu bedeuten hatten. Noch einmal schüttelte er den Kopf, bevor er sich wieder

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