Zwischen Ehre und Verlangen
temperamentvollen Pferd umzugehen”, erwiderte Amanda fröhlich. “Ich werde ihm das Gegenteil beweisen, noch dazu mit einem Zweiergespann.”
“Du bist unvernünftig, meine Liebe”, sagte Jane vorwurfsvoll und hielt sich ängstlich fest. Die Tiere preschten voran, und so dauerte es nicht lange, bis die Kreuzung und der dort wartende Reiter in Sicht kamen.
Jared sah den Zweispänner heranrasen, Amanda geschickt die Pferde zügeln und einige Schritte vor ihm zum Stehen bringen. Er ritt zu ihr, zog die Jockeykappe und verneigte sich galant. “Guten Morgen, die Damen”, begrüßte er sie höflich. “Wieso haben Sie es so eilig, Mrs. Clare?” wandte er sich dann an sie.
Sie ging nicht auf die Frage ein und erwiderte nur leichthin: “Warten Sie schon lange, Sir?”
“Nein, Madam”, antwortete er lächelnd. “Ich bin erst seit einigen Minuten hier. Sie sind bemerkenswert pünktlich.”
“Danke”, erwiderte sie freundlich. “Gut! Dann brechen wir jetzt nach Holkham auf.”
Jared ritt an der linken Seite des Zweispänners, beobachtete Mrs. Clare und stellte schon nach kurzer Zeit fest, dass sie ausgezeichnet zu kutschieren verstand.
Es entging ihr nicht, dass er sie wachsam kontrollierte, doch da er nichts äußerte, nahm sie an, er sei mit ihren Fahrkünsten zufrieden. Flüchtig wandte sie ihm die Aufmerksamkeit zu und meinte: “Das ist ein sehr rassiges Tier, das Mr. Bream Ihnen überlassen hat.”
“In der Tat”, stimmte Jared ihr zu. “Der Hengst hat Feuer und ist perfekt proportioniert. Ich werde versuchen, ihn Mr. Bream abzukaufen, falls heute alles so verläuft, wie ich mir das erhoffe.”
Amanda konnte nicht weiter auf das Thema eingehen, da Flambough sonst das Gespräch mitgehört hätte. Sie hielt ihre Pferde zu mittlerem Trab an und schaute immer wieder neugierig zu Mr. Brownsmith hinüber, der auf dem Rotfuchs eine ausgezeichnete Figur machte. Er hielt die Zügel in der rechten Hand und hatte die linke mit der Reitpeitsche auf den linken Oberschenkel gelegt. Der Junghengst hatte tatsächlich ein lebhaftes Temperament, das Mr. Brownsmith indes gut zu bändigen vermochte.
Die Straße schlängelte sich durch die Marsch und führte durch kleine, belebte Küstenorte, in denen Amanda genötigt war, die Geschwindigkeit der Pferde zu drosseln. Schließlich sah sie nach einem Dorf ein langes freies Stück vor sich, schaute herausfordernd Mr. Brownsmith an und fragte beiläufig: “Was halten Sie von einem Wettrennen, Sir?”
“Ein guter Vorschlag”, stimmte er zu, “vorausgesetzt, Miss Porter ist einverstanden.”
Bestürzt sah Jane zwischen ihm und der Freundin hin und her und äußerte nach kurzem Zögern: “Ich werde das wohl nicht verhindern können, nicht wahr, Amanda?”
“Nein”, sagte Amanda trocken.
“Aber nur bis zur nächsten Straßenbiegung”, wandte Jared ein.
“In Ordnung”, willigte Amanda ein. “Also los!” Sie ließ die Pferde in starken Galopp fallen und hörte Flambough einen Jubelschrei ausstoßen. Da sie nicht wagte, sich nach Mr. Brownsmith umzudrehen, erkundigte sie sich eifrig: “Wo ist Mr. Brownsmith?”
“Ich habe keine Ahnung”, antwortete Jane verstört und starrte bang auf die vor ihr liegende Straße.
Im gleichen Moment nahm Amanda ihn aus dem Augenwinkel wahr, warf ihm einen Blick zu und sah ihn sich tief auf den Hals des Hengstes ducken. Ein Weilchen war er auf gleicher Höhe mit ihr, und da sie die Kurve unbedingt vor ihm erreichen wollte, knallte sie mit der Peitsche. Die Kutschpferde reagierten unverzüglich, griffen noch weiter aus und ließen den Rotfuchs hinter sich. Vergnügt lachte sie laut auf und war sicher, Mr. Brownsmith abgehängt zu haben.
Die Straßenbiegung kam rasch näher, und Amanda hörte das laute Schnauben des Rotfuchses. Unvermittelt wurde ihr klar, dass Mr. Brownsmith der Sieger sein würde, denn ihre Pferde waren viel mehr belastet als der Hengst. Dennoch versuchte sie, ihr Gespann in Führung zu halten, und bemerkte unversehens einen Karren, der rückwärts aus einem Seitenweg kam. Mr. Brownsmith stieß einen Warnschrei aus, doch der das Gefährt lenkende Landmann schien ihn nicht vernommen zu haben. Erschrocken schätzte sie die verbliebene Distanz ab und fragte sich, ob die Strecke lang genug sei, um noch rechtzeitig anhalten zu können.
Jared drehte sich halb zu ihr um und schrie: “Geben Sie ihnen die Peitsche!”
“Um Gottes willen!”, murmelte Jane entsetzt und klammerte sich mit beiden Händen
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