Zwischen Himmel und Liebe
begann das farbbespritzte Laken zusammenzurollen. »Ich würde gern mehr Zeit mit dir verbringen.«
»Und wenn das nicht geht?«
Elizabeth erstarrte. »Dann würde ich dich fragen, warum.«
Er wich der Frage aus. »Was, wenn ich nicht existieren würde und du mir nie begegnet wärst, würdest du dann gern mehr Zeit mit Benjamin verbringen?«
Elizabeth schluckte schwer, stopfte Papier und Stifte in ihre Handtasche und zog den Reißverschluss zu. Sie hatte keine Lust mehr auf Spielchen, und das, was er sagte, machte sie nervös. Dieses Thema musste richtig und in Ruhe besprochen werden. Sie stand auf. Inzwischen hatte Ivan in großen roten Buchstaben auf die Wand gepinselt: »Elizabeth – ♥ – Benjamin«.
»Ivan!« Elizabeth kicherte. »Sei doch nicht so kindisch! Stell dir mal vor, das sieht jemand!« Sie wollte ihm den Pinsel wegnehmen.
Aber er ließ nicht los, und ihre Blicke trafen sich. »Ich kann dir nicht geben, was du dir wünschst, Elizabeth«, sagte er leise.
Ein Hüsteln von der Tür ließ sie beide aufschauen.
»Hi, Elizabeth!«, Benjamin musterte sie amüsiert. Dann betrachtete er die Wand hinter ihr und grinste. »Das ist ja ein sehr interessantes Thema.«
Bedeutungsschwangere Stille trat ein. Elizabeth schaute nach rechts. »Das war Ivan«, sagte sie mit kindlicher Stimme.
Benjamin lachte. »Ach, der schon wieder.«
Sie nickte und blickte auf den Pinsel in ihrer Hand, von dem rote Farbe auf ihre bereits ziemlich bunten Jeans tropfte. Unter den roten, lila, grünen und weißen Tupfen wurde ihr Gesicht purpurfarben.
»Sieht aus, als wären Sie diesmal dabei erwischt worden, wie Sie die Rosen rot angemalt haben«, meinte Benjamin leise und machte einen Schritt ins Zimmer.
»Benjamin!«, erscholl in diesem Moment Vincents gebieterische Stimme.
Mitten im Schritt hielt er inne und verzog das Gesicht. »Na, dann geh ich wohl lieber«, seufzte er und lächelte ihr zu. »Bis später!« Auf halbem Weg zur Tür drehte er sich noch einmal um und rief: »Ach, übrigens vielen Dank für die Einladung zur Party!«
Elizabeth ignorierte Ivan, der sich vor Lachen krümmte und laut schnaubte, tunkte wutentbrannt den Pinsel in den weißen Farbtopf und übermalte Ivans Geschmier, als wollte sie die peinliche Erinnerung für immer aus ihrem Gedächtnis löschen.
»Guten Tag, Mr. O’Callaghan, hallo, Maureen, hallo, Fidelma, hi, Connor, guten Tag, Father Murphy«, begrüßte sie ihre Mitbürger, als sie durch das Städtchen zu ihrem Büro zurückmarschierte. Rote Farbe rann an ihrem Arm hinunter, blaue Farbe klebte in ihrem Haar, und ihre Jeans sahen aus wie ein Gemälde von Monet. Stumme, bestürzte Blicke folgten ihr, aber Elizabeth ging einfach weiter und hinterließ eine kunterbunte Spur.
»Warum machst du das immer?«, fragte Ivan, der angestrengt mit ihr Schritt zu halten versuchte.
»Warum mache ich was? Guten Tag, Sheila.«
»Du gehst immer über die Straße, bevor du zu Flanagan’s Pub kommst, dann spazierst du ein Stück auf dieser Straßenseite, und bei Joe’s gehst du wieder zurück.«
»Stimmt doch gar nicht«, widersprach sie und begrüßte einen anderen Glotzer.
»Na, wie war das noch mal mit dem bunten Hund, Elizabeth?«, rief Joe ihr zu und lachte über ihre farbigen Spuren.
»Siehst du, da hast du es schon wieder getan!«, lachte Ivan.
Abrupt blieb Elizabeth stehen und sah sich nach ihren deutlich sichtbaren Fußspuren um. Es stimmte: Vor Flanagan’s Pub hatte sie die Straße überquert, war auf dem gegenüberliegenden Gehweg weitergegangen und hatte dann noch einmal gewechselt, um zu ihrem Büro zu kommen. Ihr war das noch nie aufgefallen. Nachdenklich blickte sie zurück zu Flanagan’s. Mr. Flanagan stand vor der Tür zu seinem Pub, rauchte eine Zigarette und nickte ihr seltsam zu, allem Anschein nach überrascht, dass sie seinen Blick erwiderte. Sie runzelte die Stirn und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter, während sie das Gebäude weiter anstarrte.
»Alles in Ordnung, Elizabeth?«, fragte Ivan und unterbrach ihre Grübelei.
»Ja«, antwortete sie, aber ihre Stimme war nur ein Flüstern. Sie räusperte sich und sah Ivan verwirrt an. Dann wiederholte sie nicht sehr überzeugend: »Ja, mit mir ist alles in Ordnung.«
Fünfunddreißig
Zusammen mit zwei anderen älteren Frauen stand Mrs. Bracken vor ihrer Ladentür und inspizierte Stoffproben, als Elizabeth vorbeimarschierte, dicke Farbklumpen an den Haarspitzen, die auf ihrem Rücken ein farbenfrohes
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