Zwischen Himmel und Liebe
machte eine Kaugummiblase und ließ sie platzen, sodass das Zeug auf ihren aufgesprungenen Lippen klebte.
Elizabeths Augen weiteten sich ungläubig. »Saoirse, du hast mein Auto nicht
geliehen.
Du hast es dir ohne meine Erlaubnis genommen und bist ohne Führerschein damit gefahren. Komm schon, du bist nicht blöd, du weißt, dass das nicht geht.« Elizabeth hielt inne und bemühte sich, die Fassung wiederzugewinnen. Diesmal würde sie es schaffen, Saoirse vom Ernst der Lage zu überzeugen. Aber obwohl es immer um das Gleiche ging, schaffte Saoirse es jedes Mal, sich irgendwie herauszureden und alles abzustreiten, was man ihr vorwarf. Elizabeth schluckte schwer.
»Hör mal«, gab Saoirse wütend zurück, »ich bin dreiundzwanzig, und ich tue genau das, was alle in meinem Alter tun – ich gehe aus und hab Spaß.« Ihr Ton wurde fies. »Dass du in meinem Alter kein Leben hattest, heißt noch lange nicht, dass ich auch keins haben darf.« Das Flügelschlagen des im Glas gefangenen Schmetterlings, der keine Luft mehr bekam.
Ich hatte kein Leben, weil ich damit beschäftigt war, dich großzuziehen
, dachte Elizabeth ärgerlich.
Und offensichtlich habe ich meine Aufgabe ganz und gar nicht zufriedenstellend bewältigt.
»Und du, willst du hier rumsitzen und dir alles anhören, oder was?«, sagte Saoirse ziemlich grob zur Couch.
Elizabeth runzelte die Stirn und räusperte sich. »Aber jetzt denk doch mal darüber nach, was Colm gesagt hat. Ob du
glaubst
, dass du dir etwas hast zuschulden kommen lassen, spielt überhaupt keine Rolle. Was zählt, ist die Meinung der Polizei – und die ist überzeugt davon.«
Saoirse kaute und starrte Elizabeth mit ihren kalten blauen Augen an. »Colm hat doch von Tuten und Blasen keine Ahnung. Er hat keinen Grund, mich wegen
irgendwas
anzuklagen. Es sei denn, es ist seit neuestem ein Verbrechen, wenn man Spaß hat.« Flatter, flatter, machte der Schmetterling.
»Bitte, Saoirse«, sagte Elizabeth leise. »Bitte hör auf mich. Diesmal meinen die es wirklich ernst. Sei einfach ein bisschen vorsichtiger mit dem, äh« – sie stockte – »mit dem Trinken.«
»Ach, lass mich doch in Ruhe«, konterte Saoirse und verzog das Gesicht. »Halt den Mund, halt den Mund, halt den Mund. Ich hab echt keinen Bock, mir den ganzen Blödsinn immer wieder anzuhören.« Sie stand auf. »Ich trinke, wenn ich Lust habe. Falls du ein Problem damit hast, dann doch nur, weil du dich für so beschissen perfekt hältst.« Sie riss die Tür auf und schrie, sodass jeder es hören konnte: »Ach ja, und du da auf der Couch« – sie machte eine Kopfbewegung zum Sofa, »ich glaube nicht, dass du dich lange halten wirst. Irgendwann hauen sie doch alle ab, stimmt’s nicht,
Lizzie
?« Man hätte den Kosenamen kaum verächtlicher aussprechen können.
In Elizabeths Augen glitzerten Tränen der Wut.
Ohne sich umzuschauen, sprang Saoirse auf und knallte die Tür hinter sich zu. Der Schmetterling hatte den Deckel des Glases aufgestemmt und konnte endlich wegfliegen. Elizabeth spürte die Vibrationen am ganzen Körper. Im Büro war es so still, dass selbst die Fliege, die gerade eben noch munter herumgesummt war, sich vorsichtshalber auf der Lampenfassung niederließ. Einen Augenblick später hörte man ein schwaches Klopfen an der Tür.
»Was?«, fauchte Elizabeth.
»Ich bin’s bloß, Becca«, kam die schüchterne Antwort. »Mit dem Kaffee.«
Elizabeth strich sich die Haare glatt und wischte die Tränen aus den Augen. »Komm ruhig rein.«
Als Becca wieder ging, sah Elizabeth durch die offene Tür, wie Saoirse durch den Empfangsbereich marschierte und auf ihr Zimmer zukam.
»Ach, übrigens«, rief sie, »ich hab ganz vergessen, dass ich mir ein bisschen Geld von dir leihen wollte.« Jetzt klang ihre Stimme auf einmal viel netter. Wie immer, wenn sie etwas wollte.
Elizabeth wurde das Herz schwer. »Wie viel denn?«
»Fünfzig«, antwortete Saoirse achselzuckend.
Elizabeth wühlte in ihrer Handtasche. »Wohnst du immer noch im Bed and Breakfast?«
Saoirse nickte.
Schließlich fand Elizabeth einen Fünfzigeuroschein, aber bevor sie ihn ihrer Schwester gab, fragte sie noch: »Wofür brauchst du das Geld?«
»Drogen, Elizabeth, ich brauch es für meine Drogen«, antwortete Saoirse unverschämt.
Resigniert ließ Elizabeth die Schultern hängen. »Ich meinte doch nur …«
»Ach was, ich brauch es für Lebensmittel, du weißt schon – Brot, Milch, Klopapier. All so’n Zeug.« Geschickt schnappte sie sich
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