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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Kristy zog leicht pikiert die Augenbrauen hoch.
    »Du kennst
mich
, Rachel«, mischte Bert sich ein. »Ich heiße Bert, weißt du nicht mehr? In den letzten Sommerferien war ich dein Tutor im College-Vorbereitungskurs. In Mathe, daran erinnerst du dich doch bestimmt.«
    Rachel warf ihm einen flüchtigen Blick zu, richtete ihre Aufmerksamkeit jedoch sofort wieder auf mich. »Ja, Shit, jetzt weiß ich es wieder. Wir haben zusammen trainiert, imLaufteam der Mittelschule. Und jetzt bist du mit dem Typen zusammen, der uns immer damit nervt, wir sollten wiederverwerten . . . äh . . . wertschätzen . . . du weißt schon, das mit der Umwelt.«
    Ich brauchte eine Sekunde, bis der Groschen fiel. »Du meinst das Recycling-Projekt?«
    »Genau!« Sie klatschte in die Hände. »Das meine ich.«
    Aus dem Jeep drang Gelächter und jemand sagte: »Mann, Rachel, bist du blöd!«
    Was Rachel gar nicht weiter zu stören schien. Sie pflanzte sich ungeniert zwischen Bert und mich. »Weißt du noch, wie viel Spaß wir beim Training hatten?« Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Und du, du warst schnell. Scheiße, warst du schnell.«
    »Ach was«, sagte ich und hob intuitiv die Hand, um mein Haar rechts und links vom Scheitel zu glätten, bis ich merkte, dass es gar nicht gescheitelt war. Kristy hörte aufmerksam zu, wobei sie mich nicht aus den Augen ließ.
    »Natürlich warst du schnell.« Wie um ihre Worte zu unterstreichen, bohrte Rachel einen Finger in Berts Arm. »Ihr hättet sie mal sehen sollen. Sie war so schnell, es sah aus, als würde sie . . .«
    Eine betretene Pause entstand, in der wir alle gemeinsam auf das Verb warteten.
    ». . . fliegen«, sagte Rachel schließlich. Kristy schnaubte auf. »Als hätte sie Flügel, verflucht noch mal. Sie hat alles gewonnen, jedes Rennen. Weißt du nicht mehr? Wenn du antratst, hatte kein anderer eine Chance. Da hättest du schon auf den Start verzichten müssen.«
    »Na ja«, sagte ich und beschwor sie lautlos, endlich zu verschwinden. Bevor sie noch was ausplaudern konnte, das sie nicht ausplaudern sollte. Ich jobbte nämlich auch deshalbso gern für
Wish Catering
, weil mich dort niemand kannte. Keiner von
Wish
ging auf dieselbe Schule wie ich und sie wussten über mich nur das, was ich sie freiwillig wissen ließ. Ich hatte diese Anonymität genossen, mehr noch, sie war bisher meine einzige Erholung in diesen Sommerferien. Ich hatte mich gefühlt wie eine sauber abgewischte Tafel. Und jetzt tauchte auf einmal diese Rachel Newcomb auf und schmierte meine Geheimnisse auf die Tafel, so dass sie für alle deutlich sichtbar wurden.
    »Unser Team hieß
Das Rasende Rudel
.« Rachel hatte sich mittlerweile Monica zugewandt. Sie lallte unüberhörbar. »Bescheuerter Name, was? Möchte mal wissen, wer sich so was ausdenkt. Als wären wir Hunde, die man losjagt, um ein Rennen zu gewinnen. Lauf, Bello, lauf. Wuff wuff!«
    »Worum geht’s hier eigentlich?«, fragte Kristy betont beiläufig in die Runde. Ich spürte, dass mein Gesicht wie Feuer brannte, und zwar noch bevor ich aufblickte und merkte, dass Wes mich beobachtete.
    Rachel schien das alles überhaupt nicht mitzubekommen. Sie klatschte mir mit der flachen Hand aufs Knie. »Hör zu, ich muss dir was sagen. Du sollst nämlich wissen . . .«
    Ich wusste, was jetzt kam. Woher? Keine Ahnung. Jedenfalls wusste ich es, aber nicht, wie ich sie hätte aufhalten können. Ich konnte nur noch aus dem Weg gehen, mich an den Rand stellen und zuschauen, wie alles zusammenbrach.
    »Es ist mir echt wichtig, dass du eines weißt«, wiederholte sie, ernst und eindringlich   – als wären wir allein, als stünden keine Zuschauer um uns herum. »Egal was die anderen sagen, ich finde nicht, dass du total komisch geworden bist, seit das mit deinem Vater passiert ist. Ich meine, das war doch echt der Horror. Du warst dabei, Mensch. Wer kannschon mit so was umgehen? Ich meine: zusehen, wie jemand stirbt, vor deinen Augen.«
    Ich starrte sie einfach bloß an, stumm, wie gelähmt: ihr gerötetes Gesicht, den Plastikbecher mit Bier in ihrer Hand, die weißen Linien, die ihre Bikiniträger auf ihrer gebräunten Haut hinterlassen hatten und die neben den Trägern ihres Tops hervorblitzten. Denn den anderen konnte ich nicht mehr ins Gesicht sehen, es ging nicht. Das war’s also mit meinen Märchen über mich selbst, mit dem Luxus unsichtbarer Narben. Sie hatte nicht lang gedauert, diese Phase, und jetzt war sie vorbei. Ich war mir fast sicher, dass ich

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