Zwischen jetzt und immer
Freiheit.«
»Was meinst du genau mit Klammern?«, fragte er.
»Weißt du nicht, was das Wort bedeutet, oder was?«
»Ich weiß, was es für
mich
bedeutet«, entgegnete er. »Aber das ist individuell verschieden.«
»Nun«, fing ich an, unterbrach mich aber sofort wieder, weil ich tatsächlich nicht genau wusste, wie ich es ihmerklären sollte. »Zuerst hat er sich darüber aufgeregt, dass ich den Job, bei dem ich ihn vertrete, nicht so ernst genommen habe, wie ich seiner Meinung nach sollte. Und als ich ihm dann in einer E-Mail auch noch schrieb, dass ich ihn liebe, hat er gescheut.«
»Gescheut?«
»Wie ein Pferd«, antwortete ich. »Oder brauchst du für das Wort auch noch mehr Erklärung?«
»Nö.« Er legte den Kopf in den Nacken und blickte zum Mond hinauf. »Das heißt also, ihr habt Probleme miteinander, weil du ihm die bewussten drei Worte geschrieben und den Job in der Bibliothek nicht ganz so ernst genommen hast, wie er es sich gewünscht hätte.«
»Ja, so ungefähr.« In Wes’ Zusammenfassung klang das Ganze ziemlich banal und dämlich, genau wie bei Kristy, nachdem ich es ihr erzählt hatte. Aber alles klingt dämlich und banal, wenn man lediglich die Fakten beschreibt, ohne die Zusammenhänge zu erklären, und – da durchzuckte es mich: »Moment mal.« Ich blieb abrupt stehen. »Von der Bibliothek habe ich keinen Ton gesagt.«
»Doch, hast du«, antwortete er. »Du –«
Ich fiel ihm ins Wort, weil ich mir absolut sicher war. »Nein, ich habe sie mit keiner Silbe erwähnt.«
Pause. Wes war ebenfalls stehen geblieben. Wich meinem Blick nicht aus, schwieg aber.
»Kristy«, sagte ich schließlich.
»Nicht direkt. Ich habe bloß ein bisschen was von dem mitgekriegt, worüber ihr euch neulich Nacht auf der Lichtung unterhalten habt.«
Ich lief weiter. »Dann hast du es jetzt eben doppelt gehört. Obwohl ich finde, dafür müsstest du eigentlich bestraft werden. Schließlich hast du eine Frage gestellt, derenAntwort du bereits kanntest. Das verstößt gegen die Regeln.«
»Ich denke, die einzige Regel besteht darin, dass man unter allen Umständen die Wahrheit sagen muss.«
Ich schnitt eine Grimasse. »Okay, dann gibt es eben zwei Regeln.«
Wes schnaubte belustigt. »Und als Nächstes erzählst du mir was von Servicegebühren oder was?«
»Was ist eigentlich los mit dir?«, fragte ich. »Hast du irgendein Problem?«
Ein Achselzucken. »Nö, überhaupt nicht. Ich schlage bloß vor, diese neue Regel ersatzlos zu streichen.«
»Du hast überhaupt nichts vorzuschlagen«, erwiderte ich. »Dies ist ein Spiel mit genau definierten Regeln, das schon gespielt wurde, bevor du überhaupt wusstest, dass es existiert.«
»Mag ja sein, aber das ist nicht der Punkt.«
Manno! War der eigentlich immer so stur? Die Eigenschaft war mir an Wes bisher noch gar nicht aufgefallen.
»Genau definierte Regeln, ha!«, fuhr Wes gerade fort. »Du denkst dir doch selber ständig neue aus, je nachdem, wie es dir in den Kram passt.«
»Tue ich nicht«, antwortete ich empört. Doch er warf mir bloß einen Blick zu nach dem Motto: Ich glaube dir kein Wort. Deshalb setzte ich hinzu: »Okay, wenn du schon die Regeln ändern willst, dann erkläre mir wenigstens mal, warum und in welchem Fall das überhaupt nötig wäre.«
Er lachte. »Ui, das klingt aber schwer nach Schülermitverwaltung.«
Eigentlich hätte ich auf diese Bemerkung hin alles Recht gehabt, beleidigt zu sein, fand ich, verkniff mir aber jeglichen Kommentar und sagte stattdessen auffordernd: »Ich warte.«
»Ich finde, manchmal sollte es schon erlaubt sein, eine Frage zu stellen, deren Antwort man kennt«, antwortete er.
Typisch Mann, dachte ich. Meckert an den Regeln rum, bevor das Spiel überhaupt richtig losgegangen ist.
»Auf diese Weise kann man testen, ob der andere auch wirklich die Wahrheit sagt.«
In dem Moment sahen wir es: Scheinwerferlicht in der Ferne. Es kam auf uns zu, näher, immer näher – bis es schließlich an einer Abbiegung nach links fegte und wieder verschwand.
Wes schüttelte frustriert den Kopf und sah mich an. »Na schön, vergiss es. Lassen wir das mit den Extraregeln. Wir einigen uns darauf,
nie
zu lügen, basta. Okay?«
Ich nickte. »Von mir aus.«
»Dann mal los, du bist dran«, sagte er.
Ich dachte sorgfältig nach, wollte mir nämlich eine wirklich gute Frage einfallen lassen. Schließlich hatte ich sie: »Okay, du hast mich danach gefragt, also tue ich’s auch. Erzähl mir von deiner letzten
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