Zwischen Krieg und Terror
Auseinandersetzungen zu verhindern.
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Die verhängnisvollen Fehler der Amerikaner nach dem Sturz Saddam Husseins
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Ein möglicher Zerfall des Iraks könnte das bittere Resultat einer Kette schwerer militärischer und politischer Fehler der Amerikaner sein, die als Besatzungsmacht versagt haben. In der Endphase des Einmarschs der Truppen am 9. April 2003 fällt kein einziger Schuss. Aber zwei Elitedivisionen der US-Streitkräfte schaffen es nicht, Ruhe und Ordnung in der irakischen Hauptstadt aufrechtzuerhalten. Während sich die Soldaten von den Gefechten auf ihrem Weg nach Bagdad erholen, rollt eine Welle der Zerstörung durch die Stadt. Nahezu alle öffentlichen Gebäude werden geplündert und demoliert, ohne dass die Besatzer einschreiten, wie es nach internationalem Recht ihre Pflicht wäre.
Unter den Irakern kursieren Gerüchte, wonach mit den Soldaten ins Land gekommene arabische Agenten als Drahtzieher hinter der Vernichtung vieler öffentlicher Einrichtungen stecken. In mehreren Fällen deuten die Verwüstungen auf ein geplantes Vorgehen hin. Besonders empört sind die Iraker darüber, dass in Sichtweite einer US-Einheit auch organisierte Banden - als ob sie auf diesen Moment gewartet hätten - in das irakische Nationalmuseum eindringen, dieses verwüsten und Teile seiner Schätze rauben, und das, obwohl Marineinfanteristen das Ãlministerium und die Stadtverwaltung von Bagdad sichern. Während man die Plünderer gewähren lässt, schieÃen die Soldaten auf neu gegründete Bürgerkomitees. Sie verwechseln diese Stadtteilmilizen, die Geschäfte oder Häuser vor Dieben und Unruhestiftern schützen sollen, mit versprengten Trupps der Fedajin des alten Regimes. Diese Verbände von Freiwilligen aus anderen arabischen Staaten, die für den Kampf gegen Invasionsarmeen unter dem Kommando von Saddam Husseins ältestem Sohn Udai aufgebaut wurden, sind zwar gut ausgebildet, doch können sie nach dem Zusammenbruch des Regimes nicht wie Iraker zu ihren Familien oder Stämmen zurückkehren. Einige dieser Gruppen schlagen sich in den Nordwesten Iraks durch und schlieÃen sich bereits Tage später der Terrororganisation »Ansar al Sunna« an.
Für die meisten Bewohner Bagdads sind die ersten Erfahrungen mit den ausländischen Truppen mit einer unglaublichen Ernüchterung und Desillusionierung verbunden. Sie erleben, wie die öffentliche Infrastruktur ihrer Stadt weitgehend zerstört wird. Die Propaganda der Anhänger des gestürzten Regimes, die USA hätten das Land angegriffen, um es als Zentrum alter arabischer Kultur zu vernichten, gewinnt an Nährboden. Vor allem die Kritiker Saddam Husseins, die auf Befreiung von auÃen gehofft haben, sind enttäuscht. Für Intellektuelle, die die Jahre der Diktatur in einer sozusagen inneren Emigration überstanden haben, bricht eine Welt zusammen, als sie mit ansehen müssen, wie sich die Amerikaner in den ersten Tagen nach dem Ende der Kämpfe aufführen und versagen.
In den Stadtteilen entstehen in Komitees und Bürgerwehren die ersten Ansätze eines politischen Neuanfangs durch die Gegner des alten Regimes. Diese formieren sich unabhängig von den Institutionen der Besatzer, die in Hotels und den einstigen Palästen Saddam Husseins residieren. Vor allem schiitische Geistliche und die Kader des gestürzten Regimes nutzen das Unvermögen der US-Truppen. Sie erkennen sehr schnell, dass die fremden Soldaten ohne Konzept, ja kopflos agieren, und sehen ihre Chance zur Einflussnahme. Planlos in der Gegend patrouillierende Kampfeinheiten und auf öffentlichen Plätzen postierte Panzer geraten zu äuÃeren Zeichen amerikanischer Hilflosigkeit.
Vor allem in den Moscheen erwachsen neue Machtzentren. Den Geistlichen wird rasch bewusst, dass ihr stetig wachsender Einfluss, der auf einer tiefen Verwurzelung in der Gesellschaft basiert, von den ausländischen Soldaten nicht unterbunden werden kann. Auch der aus den USA eingeflogenen neuen Zivilverwaltung, die von US-Beamten geleitet wird, gelingt es nicht, den militärischen Erfolg über das Saddam-Hussein-Regime politisch abzusichern und neue Verhältnisse zu schaffen, die von der Bevölkerung akzeptiert werden. Selbst Gegner Saddam Husseins, die jahrelang unter seiner Diktatur gelitten haben, scheuen davor zurück, mit den US-Streitkräften zusammenzuarbeiten. Damit wächst
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