Zwischen Krieg und Terror
meine Spekulationen über die Hintermänner des Widerstands. Auch seine Gruppe wurde von den Ex-Baathisten mit Waffen ausgestattet. Drei Jahre später höre ich erneut von Wahhab. Er hat überlebt und kämpft im Bürgerkrieg. Die Gegner der von ihm geführten kleinen Gruppe sind jetzt Schiiten.
Vor allem in den sunnitischen Provinzstädten im Westen und Norden des Landes protestieren Anhänger Saddam Husseins gegen die Besatzungsarmee. In einem offenen Brief hat der gestürzte Diktator zum Widerstand gegen die US-Truppen aufgerufen, die er als »ungläubig, kriminell und mörderisch« bezeichnet. Der Tag der Befreiung werde kommen, verspricht er seinen Anhängern.
Am 28. April, seinem sechsundsechzigsten Geburtstag, greifen Demonstranten in der fünfzig Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt Falludjah nach dem Abendgebet eine Einheit US-Soldaten, die sich in einer Schule einquartiert hat, mit Steinen an. Als diese Nebelgranaten abfeuern, entwickelt sich ein Gefecht, bei dem fünfzehn Iraker sterben. Bei den Bewohnern nimmt die Empörung solche AusmaÃe an, dass die Soldaten am nächsten Morgen unter Schmährufen der Einheimischen abziehen müssen. Dabei werden sie von Schülern mit Steinen und Schuhen beworfen, eine Geste, die sie beleidigen soll. Achtundvierzig Stunden später kommt es erneut zu einem Zwischenfall, bei dem zwei Demonstranten erschossen werden.
Wer solche SchieÃereien beginnt, ist nicht entscheidend, denn in der Regel gibt es nur auf der Seite der Besatzungsgegner Tote, und nicht bei der US-Armee, eine Tatsache, die bei vielen Irakern die Wut über diese - aus ihrer Sicht - »Massaker« nur noch steigert. So sterben an Saddams Geburtstag auch in der Stadt Mosul neun Demonstranten durch Kugeln amerikanischer Soldaten. Im Propagandakrieg nutzen die Feinde der USA die Toten als eine Art verbaler »Geschosse«. Iraker werden ausschlieÃlich als Opfer gesehen, während die ausländischen Soldaten als mordende Unruhestifter dargestellt werden, die mit Ferngläsern Frauen beim Aus- und Anziehen beobachten und Kinder mit Pornomagazinen verderben. Gezielt nutzt diese Art Propaganda religiöse Gefühle und appelliert an Ehrvorstellungen, um die Menschen gegen die Amerikaner aufzubringen. Zumindest in den Nordwestprovinzen Iraks fällt diese Agitation auf fruchtbaren Boden, und die Empörung über die ausländischen Ungläubigen wächst.
Denn die treten gegenüber der irakischen Bevölkerung als anonyme Militärmaschinerie auf. Versehen mit modernster Technik, fahren sie durch die StraÃen, wobei ihre martialische Erscheinung auf die Iraker fast surreal wirken muss. Diese Kluft zwischen zwei Welten kann auch nicht damit überbrückt werden, dass die Propagandaeinheiten der US-Armee an Kinder Faltblätter in Englisch und Arabisch verteilen, auf denen die Uniform und die von jedem Soldaten mitgeführte Ausrüstung erklärt werden. Mit ihrer Sprechfunkausstattung, durch die sie ständig mit dem Begleitfahrzeug in Kontakt stehen, der schweren Panzerweste und dem Haltegestänge für die an den Stahlhelmen befestigten Nachtsichtgeräte wirken die Soldaten schwerfällig und ähneln Robotern. In solch einer Kluft bleiben die Kontakte mit den Irakern sehr begrenzt, schon die Montur steht einer Gesprächsaufnahme im Wege.
Viele der Soldaten sind keine Bürger der USA, denn in den US-Streitkräften dienen 33 000 Ausländer. Durch ihren Eintritt in die Armee erwerben sie sich ein Anrecht auf die Staatsbürgerschaft, ein Privileg, das Präsident Bush in den Tagen nach dem 11. September 2001 per Dekret schuf. Im Irakkrieg erhielten die ersten gefallenen ausländischen Armeeangehörigen der USA ihre Staatsbürgerschaft posthum.
Zusätzlich beschäftigt die US-Armee private Sicherheitsdienste, deren Personal auch an Kampfhandlungen teilnimmt. Das Verhältnis von »privaten« Kämpfern zu US-Soldaten ist deutlich gestiegen. War im Golfkrieg 1991 jedes fünfzigste Mitglied der US-Armee kein klassischer Soldat, so hatte im Irakkrieg 2003 bereits jeder zehnte Kriegsteilnehmer einen Job bei einer Fremdfirma. 7 Bezeichnend ist auch, dass vermehrt ferngesteuerte Roboter zum Einsatz kommen. Man schätzt, dass im Jahr 2006 rund 10 000 von ihnen vor allem zum Bomben- und Minenentschärfen verwendet werden. 8 Ãhnlich wie in Falludjah die brisante Situation nicht durch
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