Zwischen Leidenschaft und Liebe
möglich, daß die Mehrheit seiner Leser eben gerade das, was sie kritisierte, mochten?
Nyssa setzte sich neben Claire und legte den Arm um sie. »Du solltest ihm lieber nachgehen. Er ist wie ein verwundetes Tier, wenn er gekränkt ist. Er wird nicht so leicht darüber hinwegkommen.«
Claire behagte es gar nicht, daß Nyssa so viel über Trevelyan wußte - Dinge, von denen sie, Claire, keine Ahnung hatte. Doch Claire hatte keine Zeit, sich in diesem Moment Gedanken darüber zu machen. »Wohin ist er wohl gegangen?«
»Zum alten Sommerhaus«, antwortete Brat. »Dort geht er oft hin.«
Claire verließ den Westflügel und machte sich auf den langen Weg zum Sommerhaus. Bis dahin waren es mindestens zwei Meilen, und sie wußte, daß Trevelyan ein schnelles Tempo vorlegen würde. Seit er wieder zu Kräften gekommen war, konnte sie kaum mit ihm Schritt halten.
Er saß auf einer Bank auf der Veranda des kleinen Sommerhauses und blickte zu den Hügeln. »Was willst du?« fragte er grollend.
Sie setzte sich neben ihn, berührte ihn aber nicht. »Wir haben uns ein paar schlimme Sachen an den Kopf geworfen.«
Er fand es nicht der Mühe wert, ihr darauf eine Antwort zu geben.
Claire spürte, daß sie ihn sehr verletzt hatte. Es war ihr nur nicht klar, womit sie ihn so tief getroffen hatte. War er denn so empfindlich, was seine Schriften anlangt? »Ich mag deine Bücher«, sagte sie. »Sie haben mir schon immer gefallen. Ich mag sie alle. Ohne Ausnahme.«
Er sah sie an, als wüßte er nicht, wovon sie eigentlich sprach.
»Deine Bücher, erinnerst du dich? Deswegen haben wir uns doch gestritten.«
Er sah wieder zu den Hügeln hinüber. »Tatsächlich? Vielleicht sollte ich ein paar sachliche Details weglassen. Vielleicht sollte ich zwei Bücher schreiben - eines für Leser, die sich für meine Forschungsergebnisse interessieren, und eines für die Masse, die unterhalten werden möchte. Für die Masse berichte ich alles über Nyssa und die anderen schönen Frauen, mit denen ich es zu tun hatte.«
»Ich denke, die Welt kann auf so ein Buch verzichten«, erwiderte sie steif.
»Vielleicht«, brummte Trevelyan ohne große Anteilnahme.
Claire saß eine Weile schweigend bei ihm. Sie hatte bereits gelernt, daß Trevelyan zwar stundenlang reden, aber auch ebensogut schweigen konnte. »Wenn das, was ich an deinen Büchern kritisierte, dich nicht aufregt - warum bist du dann so wütend auf mich?«
Er sah sie verständnislos an. »Ich bin nicht wütend auf dich. Du hast deine Meinung und ich meine.«
»Aber du bist wütend auf mich gewesen. Du bist aus dem Zimmer gestürmt und hierher gelaufen. Du bist vor Wut fast geplatzt.«
Trevelyan sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren; und Claire machte ihre erste Erfahrung mit bedeutenden Männern. »Ich habe nichts dergleichen getan. Ich wollte nur frische Luft schnappen.«
Claire hätte ihm jetzt am liebsten wieder lautstark die Meinung gesagt, wußte jedoch, daß das nichts nützen würde. Im nächsten Moment begriff sie, daß er ihr etwas verschweigen wollte. Daß da etwas war, was sie nicht wissen sollte.
»Was möchtest du mir nicht sagen?« fragte sie leise.
Trevelyan stand auf und trat an den Rand der Veranda. »Ich habe keine Ahnung, was du meinst. Ich habe dir mehr von meinem Leben erzählt als irgend jemandem sonst.«
»Das mag stimmen, aber du hast mir nur von Captain Baker erzählt. Du hast mir nie von deinem Leben erzählt, bevor du Captain Baker wurdest. Wo bist du aufgewachsen? Wie nahe bist du mit Harry verwandt?«
»Ich fange an zu frieren. Ich denke, wir sollten besser wieder zurückgehen.« Er drehte sich zu ihr um und sah sie an. »Oder möchtest du lieber hierbleiben? Wir könnten ins Sommerhaus gehen und . . .«
»Du wirst mir deinen Körper schenken, aber nicht deine Geheimnisse. Du weißt alles, was es über mich zu wissen gibt, erzählst mir aber nichts von dir. Du teilst dein Privatleben nicht mit mir.«
»Ich teile alles, was ich teilen kann, mit dir.«
»Du teilst alles, was du teilen willst mit mir.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging davon.
Er holte sie ein, als sie sich erst wenige Schritte vom Sommerhaus entfernt hatte und hielt sie fest.
»Bleib bei mir«, sagte er. »Geh nicht fort.«
Sie sah in diese Augen - diese unergründlichen Augen -und fragte sich, was sich dahinter verstecken mochte. Sie wollte sich von ihm losreißen, wußte aber, daß er sie brauchte. Sie lehnte sich an ihn, und er umarmte sie.
»Also gut - ich
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