Zwischen Leidenschaft und Liebe
Wangenknochen. Ein kräftiges, energisches Kinn, mit schwarzen Bartstoppeln bedeckt. Sein dicker Schnurrbart fühlte sich weich an, und sie konnte nun sehen, daß er einen sehr sinnlichen Mund zur Hälfte verdeckte.
»Du meine Güte, Trevelyan - Sie sind ein sehr hübscher Mann«, flüsterte sie. Er hatte nicht Harrys blondes, gesundes gutes Aussehen, sondern - das Aussehen eines verwegenen Schurken. Trevelyan wäre die ideale Besetzung des schurkischen Draufgängers in einem Bühnenstück, und Harry die ideale Verkörperung des Engels. Vielleicht sollte sie das mal Brats Freund vortragen, der die Ein — Personen — Stücke inszenierte.
»Geht es ihm besser?«
Claire schrak zusammen, von Schuldgefühlen geplagt, daß man sie dabei ertappt hatte, wie sie Trevelyan berührte. Sie drehte sich zu Oman um. »Ich denke, er hat das Schlimmste überstanden. Leidet er öfter unter diesen Anfällen?« Claire fragte sich, ob Trevelyans Krankheit chronisch oder nur vorübergehender Natur war. Aber eigentlich wollte sie das lieber nicht wissen. Sie wollte nicht wissen, ob diese Anfälle von Schüttelfrost letztendlich zum Tode führten.
Oman antwortete nicht, sondern zuckte nur wieder auf eine Weise mit den Achseln, die bedeuten konnte, er wisse es nicht, es kümmerte ihn nicht oder es läge alles in Allahs Macht.
»Könnten Sie mir etwas heißes Wasser besorgen? Ich möchte ihn waschen.«
In wenigen Minuten kam Oman mit einem Krug voll heißen Wassers zurück, und Claire wusch Trevelyan das Gesicht und den Hals. Sie schlug die Decke zurück und löste den Gürtel, der das Plaid zusammenhielt. Sorgsam und mit einer gewissen Ehrfurcht entfernte sie die Brosche mit dem Wappen des Clanchefs, die das Plaid an der Schulter festhielt, und legte sie auf den Tisch neben dem Bett.
Trevelyan schlief wie ein Toter, und sie glaubte nicht, daß ihn irgend etwas auf der Welt wecken könne. Er rührte sich nicht einmal, als sie ihn zur Seite schob, um das Plaid unter seinem Körper hervorziehen zu können. Sein Leinenhemd war naß von seinem Schweiß. Sie knöpfte es zur Hälfte auf und wischte seine Brust, die mit getrocknetem Schweiß bedeckt war, mit einem feuchten Tuch ab.
Als sie ein Schlüsselbein erreichte, sah sie die erste Narbe. Sie wußte nicht, warum sie das überraschte, zumal ja sein Gesicht schon von Narben gezeichnet war — aber sie war dennoch überrascht. Sie knöpfte das Hemd weiter auf, und entdeckte zwei weitere Narben. Sie versuchte nicht länger, diskret zu sein, sondern löste alle Knöpfe und betrachtete ihn.
Seine Brust war hager und dennoch sehr muskulös. Trotz seiner momentanen körperlichen Schwäche war er offensichtlich ein Mann, der große Strapazen auf sich genommen hatte. Aber was sie besonders interessierte, waren die vielen weißen Narben über seinen Rippen. Sie fuhr mit den Fingerspitzen erst über die eine, dann über eine andere. Sie vermutete, daß es sich um Narben von Messerstichen handelte. Was hatte man nur mit ihm gemacht? überlegte sie.
Sie trat einen Moment vom Bett zurück und versuchte sich vorzustellen, wo er sich diese Narben zugezogen haben könnte. Plötzlich wollte sie das Hemd ganz entfernen, um zu sehen, was man ihm noch alles angetan hatte. Sie rief Oman zu sich. »Helfen Sie mir, ihn auszuziehen«, sagte sie und wich dem Blick des Mannes aus. Sollte er ihretwegen glauben, daß amerikanische Mädchen sich nichts dabei dachten, einen Kranken bis auf die Haut zu entkleiden.
Trevelyan stöhnte, als es Oman mit Claires Hilfe gelang, das Hemd von seinem Körper zu entfernen. Sie entdeckte noch mehr Narben auf seinem Rücken. Vier von ihnen in einer Reihe, die bogenförmig von der Wirbelsäule über die linke Schulter hinliefen. Sie sahen aus wie Narben von Klauen, als wäre er von einer großen Raubkatze angefallen worden.
Sie schickte Oman aus dem Zimmer und wusch Trevelyans Rücken. Dann ging sie zu einem Koffer, der an einer Wand stand. Sie fand ein frisches Hemd. Es war ein seltsames Hemd, aus feinem Baumwollstoff und mit kleinen braunen und weißen Figuren bedruckt, die offenbar Menschen darstellen sollten. Sie hatte viel Mühe, ihm das Hemd anzuziehen, und als es ihr endlich gelungen war, begann er wieder zu zittern. Ohne erst nachzudenken, legte sie sich wieder zu ihm, schmiegte sich an ihn, strich über seine Stirn und versuchte ihn zu beruhigen, als er sich in seinem Fieberanfall hin und her wälzte.
Trevelyan kam langsam zu sich. Er hatte Mühe, sich darauf zu
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