Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
Miststück rennt.«
Er stand auf. »Diese Sache ist noch nicht erledigt.«
»Doch, das ist sie«, sagte ich. Obwohl ich wusste, dass sie es nicht war. Aber wenn alles klappte, waren wir dem Ende ein Stück näher als zuvor. Wenn.
Er ging über den Hof davon, dann drehte er sich noch mal um. Er benutzte sein Seidentaschentuch, um sich abermals das Gesicht abzuwischen, dann sagte er: »Wenn Sie glauben, dass die 70 Hektar Ihnen gehören, nur weil Sie Ihre Frau vertrieben haben … sie zu ihrer Tante in Des Moines oder einer Schwester in Minnesota fortgejagt haben …«
»Suchen Sie sie in Omaha«, sagte ich lächelnd. »Oder in Sain’-Loo. Mit ihrer Verwandtschaft konnte sie nie viel anfangen, aber sie war verrückt danach, in Sain’-Loo zu leben. Gott weiß, warum.«
»Wenn Sie glauben, dort draußen säen und ernten zu können, irren Sie sich gewaltig. Wenn Sie auch nur ein einziges Saatkorn ausbringen, sehen wir uns vor Gericht wieder.«
»Ich bin mir sicher, dass Sie von ihr hören werden, sobald sie abgebrannt ist«, sagte ich.
In Wirklichkeit wollte ich sagen: Nein, das Land gehört nicht mir … aber auch nicht Ihnen. Es wird einfach dort draußen liegen. Und das ist in Ordnung, denn in sieben Jahren wird es mir gehören, wenn ich zum Gericht gehe, um sie amtlich für tot erklären zu lassen. Ich kann warten. Sieben Jahre, ohne Schweinemist zu riechen, wenn der Wind aus Westen kommt? Sieben Jahre, ohne die Schreie verendender Schweine (die den Schreien einer Sterbenden so ähnlich sind) zu hören oder ihre Eingeweide einen von ihrem Blut roten Bach hinabtreiben zu sehen? Das kommt mir wie sieben wundervolle Jahre vor.
»Noch einen schönen Tag, Mr. Lester, und nehmen Sie sich auf der Rückfahrt vor der Sonne in Acht. Sie brennt am Spätnachmittag ziemlich herunter, und Sie haben sie genau im Gesicht.«
Er stieg wortlos in den Lieferwagen. Lars winkte mir zu, und Lester blaffte ihn an. Lars bedachte ihn mit einem Blick, der zu sagen schien: Du kannst knurren und fauchen, so viel du willst, nach Hemingford City zurück sind’s trotzdem zwanzig Meilen.
Als von ihnen nur noch eine Staubfahne zu sehen war, kam Henry wieder auf die Veranda heraus. Er sah älter aus, wie ein junger Mann statt eines Jungen. »Hab ich es richtig gemacht, Papa?«
Ich ergriff sein Handgelenk, drückte es und tat so, als merkte ich nicht, wie das Fleisch unter meiner Hand sich vorübergehend versteifte, als müsste er den Impuls unterdrücken, es mir zu entziehen. »Genau richtig. Perfekt.«
»Füllen wir den Brunnen morgen auf?«
Ich dachte sorgfältig darüber nach, weil unser Leben davon abhängen konnte, wie ich mich entschied. Sheriff Jones wurde allmählich älter und schwergewichtiger. Er war nicht faul, aber es war schwierig, ihn ohne guten Grund dazu zu bringen, sich in Bewegung zu setzen. Lester würde Jones irgendwann davon überzeugen, dass er zu uns hinausfahren müsse, aber vermutlich nicht, bevor Lester dafür sorgte, dass einer der beiden quirligen Söhne Cole Farringtons den Sheriff anrief und ihn daran erinnerte, welche Firma der größte Steuerzahler in der Hemingford County war (von den benachbarten Countys Clay, Fillmore, York und Seward ganz zu schweigen). Trotzdem glaubte ich, dass uns noch mindestens zwei Tage blieben.
»Nicht morgen«, sagte ich. »Übermorgen.«
»Warum erst dann, Papa?«
»Weil der Sheriff rauskommen wird. Sheriff Jones ist zwar alt, aber nicht dumm. Ein bereits aufgefüllter Brunnen könnte ihn neugierig machen, warum er erst kürzlich aufgefüllt wurde und so. Aber einer, der gerade erst aufgefüllt wird … und das noch aus gutem Grund …«
»Welcher Grund? Sag schon!«
»Bald«, sagte ich. »Bald.«
Den ganzen nächsten Tag warteten wir auf eine auf unserer Straße heranbrodelnde Staubwolke, die nicht von Lars Olsens Lieferwagen, sondern vom Dienstwagen des County Sheriffs stammte. Aber sie kam nicht. Stattdessen kam Shannon Cotterie vorbei - die in ihrer Baumwollbluse und dem karierten Rock recht hübsch aussah -, um zu fragen, ob Henry wieder gesund sei und ob er mit ihr und ihrer Mama und ihrem Papa zu Abend essen könne, wenn er’s sei.
Henry sagte, er fühle sich wohl, und ich beobachtete mit großer Sorge, wie sie Hand in Hand die Straße entlang davongingen. Er hütete ein schreckliches Geheimnis, und schreckliche Geheimnisse wiegen schwer. Sie mit anderen teilen zu wollen ist die natürlichste Sache der Welt. Und er liebte das Mädchen (oder glaubte sie
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