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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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waren eilig zur Erkundung herausgekommen. Sie nagten bereits an der armen alten Elpis, während sie noch muhte und ausschlug (nun schon schwächer), und eine saß auf dem Kopf meiner toten Frau wie eine schaurige Krone. Mit ihren geschickten Pfoten hatte sie ein Loch in den Rupfensack gerissen und ein Haarbüschel herausgezupft. Arlettes Wangen, einst so voll und hübsch, hingen in Fetzen herab.
    Nichts kann schlimmer sein als das hier, dachte ich. Damit muss ich am Ende aller Schrecken angelangt sein.

    Aber uns erwarten eben stets noch schlimmere Dinge. Während ich von Entsetzen und Abscheu gelähmt in den Brunnen starrte, schlug Elpis wieder aus und traf mit einem ihrer Hufe die Überreste von Arlettes Gesicht. Der Unterkiefer meiner Frau brach mit einem lauten Knacken, und alles unterhalb der Nase wurde wie an einem Scharnier hängend nach links verschoben. Trotzdem blieb ihr Grinsen von einem Ohr zum anderen erhalten. Die Tatsache, dass es nicht mehr zur Augenpartie passte, machte alles noch schlimmer. Statt nur einem Gesicht, das mich verfolgen konnte, schien sie jetzt zwei zu haben. Ihr Körper sank gegen die Matratze, die dadurch seitlich wegrutschte. Die Ratte auf ihrem Kopf flitzte dahinter. Elpis muhte nochmals. Wenn Henry jetzt zurückkäme und in den Brunnen sähe, stellte ich mir vor, würde er mich umbringen, weil ich ihn in diese Sache hineingezogen hatte. Ich hatte vermutlich den Tod verdient. Aber dann wäre er allein zurückgeblieben, und allein wäre er wehrlos gewesen.
    Ein Teil des Holzdeckels war in den Brunnen gefallen; der Rest hing noch herab. Ich lud das Gewehr, legte es auf diese Schräge und zielte auf Elpis, die mit gebrochenen Halswirbeln und an die Brunnenwand gedrücktem Schädel dalag. Ich wartete, bis meine Hände nicht mehr zitterten, dann drückte ich ab.
    Ein Schuss genügte.
     
    Als ich ins Haus zurückkam, fand ich Henry auf dem Sofa eingeschlafen vor. Ich stand selbst zu sehr unter Schock, um das eigenartig zu finden. In diesem Augenblick erschien er mir als der einzige wahre Lichtblick auf dieser Welt: beschmutzt, aber nicht so schmutzig, dass er nie wieder sauber werden konnte. Ich beugte mich über ihn und küsste ihn auf die Wange. Er stöhnte auf und drehte den Kopf weg. Ich ließ ihn dort liegen und ging in die Scheune hinaus,
um mein Werkzeug zu holen. Als er drei Stunden später zu mir kam, hatte ich den herabhängenden Teil des Holzdeckels aus dem Loch gezogen und angefangen, den Brunnen aufzufüllen.
    »Ich helfe dir«, sagte er ausdruckslos.
    »Gut. Nimm den Lastwagen und fahr damit zu dem Erdhaufen am Westzaun …«
    »Allein?« Er klang nur andeutungsweise ungläubig, aber es war ermutigend, überhaupt irgendeine Gefühlsregung zu hören.
    »Du kennst alle Vorwärtsgänge und kannst den Rückwärtsgang finden, stimmt’s?«
    »Ja …«
    »Dann kommst du zurecht. Ich habe bis dahin genug zu tun, und wenn du zurückkommst, ist das Schlimmste vorbei.«
    Ich wartete darauf, dass er mir nochmals erklären würde, das Schlimmste werde nie vorbei sein, aber das tat er nicht. Ich schaufelte weiter. Ich konnte noch immer Arlettes Kopf und den Rupfensack mit dem grässlichen herausgezogenen Haarbüschel darüber sehen. Irgendwo dort unten gab es vielleicht schon einen Wurf neugeborener Ratten in ihrer Wiege zwischen den Schenkeln meiner toten Frau.
    Ich hörte den Motor des Lastwagens kurz stottern, dann noch einmal. Ich hoffte, dass die Kurbel nicht zurückschlagen und Henry den Arm brechen würde.
    Beim dritten Versuch sprang unser alter Lastwagen schließlich röhrend an. Henry stellte die Zündung zurück, gab ein paarmal Gas und fuhr davon. Er blieb fast eine Stunde weg, aber als er zurückkam, war die Ladefläche voller Erde und Steine. Er stieß rückwärts an den Brunnenrand heran, stellte den Motor ab und stieg aus. Er hatte das Hemd ausgezogen, und sein schweißnasser Oberkörper war viel zu mager; ich konnte seine Rippen zählen. Ich überlegte, wann
ich ihn zum letzten Mal hatte tüchtig essen sehen, kam aber zunächst nicht darauf. Dann fiel mir ein, dass seine letzte große Mahlzeit das Frühstück gewesen sein musste, nachdem wir sie beseitigt hatten.
    Ich werde dafür sorgen, dass er heute ein gutes Abendessen bekommt, dachte ich. Ich werde dafür sorgen, dass wir beide eines bekommen. Zwar kein Rindfleisch, aber im Eisschrank liegt etwas Schweinefleisch …
    Auf einmal sah ich eine lange Staubfahne näher kommen. Ich warf einen Blick in den Brunnen.

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