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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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enthielte sie keinen Hut, sondern einen Ziegelstein -, und spürte dann einen seltsamen Kälteschock , als wäre meine Hand mit Eiswasser übergossen worden. Im nächsten Augenblick wurde die Kälte zu Feuer. Der Schmerz war so stark, dass alle meine Armmuskeln gelähmt waren. Ich stolperte vor Schock und Schmerzen brüllend rückwärts und verstreute überall Geld. Mein Finger blieb unter das Gummiband gehakt, und die Hutschachtel wurde aus dem Fach gerissen. Auf ihr hockte eine riesige Wanderratte, die mir nur allzu vertraut erschien.
    Sie könnten jetzt sagen: »Wilf, eine Ratte sieht wie die andere aus«, und normalerweise hätten Sie recht, aber diese hier kannte ich. Hatte ich sie nicht mit der Zitze eines Kuheuters wie einen Zigarrenstummel in der Schnauze vor mir weglaufen gesehen?
    Die Schachtel löste sich von meiner blutenden Hand, und die Ratte fiel sich überschlagend zu Boden. Hätte ich erst nachgedacht, hätte sie wieder entkommen können, aber bewusstes Denken war durch Schmerzen, Schock und das Entsetzen blockiert, das wohl fast jeder Mensch empfindet, der einen Körperteil, der vor Sekunden noch ganz heil war, stark bluten sieht. Ich dachte nicht einmal daran,
dass ich so nackt war wie bei meiner Geburt, sondern stampfte nur mit dem rechten Fuß auf die Ratte. Ich hörte Knochen knacken und spürte, wie Organe zerquetscht wurden. Blut und verflüssigte Eingeweide spritzten unter ihrem Schwanz hervor und trafen als warmer Strahl mein linkes Fußgelenk. Die Ratte versuchte, den Körper zu verdrehen und mich erneut zu beißen; ich hörte, wie sie mit den großen Vorderzähnen knirschte, aber sie konnte mich nicht ganz erreichen. Jedenfalls nicht, solange mein Fuß auf ihr stand. Also ließ ich ihn dort. Ich trat noch fester zu, hielt die verletzte Hand an die Brust gedrückt und spürte, wie warmes Blut meine dichte Brustbehaarung benetzte. Die Ratte wand und drehte sich zappelnd. Ihr Schwanz peitschte erst meine Wade, dann schlang er sich wie eine Ringelnatter um sie. Aus ihrer Schnauze quoll Blut. Ihre schwarzen Augen traten wie Murmeln hervor.
    Ich blieb lange mit einem Fuß auf der verendenden Ratte stehen. Sie war innerlich zerquetscht, ihre Organe zu Brei gestampft, aber trotzdem zappelte sie noch und schnappte nach mir. Schließlich hörte sie auf, sich zu bewegen. Ich blieb noch eine Minute auf ihr stehen, um mich zu vergewissern, dass sie sich nicht nur tot stellte, und als ich sicher sein konnte, dass sie krepiert war, humpelte ich in die Küche, hinterließ rechts blutige Fußabdrücke und dachte leicht verwirrt an das Orakel, das Pelias gewarnt hatte, sich vor einem Mann zu hüten, der nur eine Sandale trage. Aber ich war kein Jason; ich war nur ein Farmer, der vor Schock und Schmerzen halb verrückt war, ein Farmer, der dazu verdammt zu sein schien, seinen Schlafplatz mit Blut zu verunreinigen.
    Als ich die Hand unter die Pumpe hielt und mit kaltem Wasser betäubte, konnte ich jemanden sagen hören: »Schluss damit, Schluss damit, Schluss damit.« Das war meine Stimme, ich wusste, dass sie es war, aber sie klang wie die eines
alten Mannes, der den letzten Rest Stolz eingebüßt hat. Der an den Bettelstab gebracht worden ist.
     
    Ich kann mich an den Rest jener Nacht erinnern, aber das ist kaum anders, als betrachtete man Photos in einem schimmeligen Album. Die Ratte hatte das Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger meiner linken Hand ganz durchgebissen - ein schrecklicher Biss, bei dem ich aber noch Glück gehabt hatte. Hätte sie den unter das Gummiband gehakten Finger erwischt, hätte sie ihn vielleicht ganz abgebissen. Das wurde mir klar, als ich ins Schlafzimmer zurückging und meinen Gegner am Schwanz hochhob (mit der rechten Hand; die schmerzende linke war zu steif, als dass ich die Finger hätte biegen können). Sie war mit Schwanz fast einen halben Meter lang und wog gut ein Pfund.
    Dann war es nicht dieselbe Ratte, die in das Eisenrohr geflüchtet ist, höre ich Sie sagen. Sie kann es nicht gewesen sein. Aber sie war es, ich versichere Ihnen, dass sie es war. Sie trug kein Erkennungszeichen - keinen weißen Fleck im Fell, kein praktischerweise angebissenes Ohr, das eine Identifizierung ermöglicht hätte -, aber ich wusste, dass es die war, die Achelois verstümmelt hatte. Genau wie ich wusste, dass sie nicht zufällig dort oben gehockt hatte.
    Ich trug sie am Schwanz in die Küche und ließ sie in den Ascheneimer fallen. Mit dem Eimer ging ich zu unserer Versitzgrube hinaus. Ich

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