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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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allerdings nicht so verknittert wie sein Gesicht, und das Hemd ließ sich wenigstens glattbügeln. Statt wie fünfundvierzig sah er wie fünfundsechzig aus.
    »Schlag mich nicht«, sagte ich, als ich sah, dass er die Fäuste ballte. »Hör mir erst zu.«
    »Ich würde keinen Mann schlagen, der nur eine Hand hat«, sagte er, »aber ich wäre dir dankbar, wenn du es kurz
machen würdest. Und wir werden hier draußen auf der Treppe miteinander reden, weil du nie mehr einen Fuß in mein Haus setzen wirst.«
    »Schon in Ordnung«, sagte ich. Ich hatte selbst reichlich abgenommen und zitterte vor Kälte, aber die kalte Luft tat meinem Armstumpf gut - wie auch der unsichtbaren Hand, die an seinem Ende weiterzuexistieren schien. »Ich möchte dir 40 Hektar gutes Land verkaufen, Harl. Die vierzig, die Arlette unbedingt der Farrington Company verkaufen wollte.«
    Darüber musste er lächeln, und seine Augen glitzerten in ihren auf einmal tiefen Höhlen. »Du steckst in der Klemme, was? Dein halbes Haus und der halbe Stall sind eingestürzt. Hermie Gordon sagt, dass du jetzt mit einer Kuh zusammenlebst.« Hermie Gordon war der Landbriefträger und ein berüchtigtes Klatschmaul.
    Ich nannte einen so niedrigen Preis, dass Harl mich mit offenem Mund und hochgezogenen Augenbrauen anstarrte. Dabei fiel mir ein aus dem sauberen, gut eingerichteten Farmhaus der Cotteries wabernder Geruch auf, der überhaupt nicht herzupassen schien: der Geruch von angebranntem Essen. Offenbar kochte hier nicht Sallie Cotterie. Früher hätte mich so etwas vielleicht interessiert, aber diese Zeiten waren vorbei. Jetzt ging es mir allein darum, die 40 Hektar loszuwerden. Es erschien mir nur angemessen, sie billig zu verkaufen, nachdem sie mich so teuer zu stehen gekommen waren.
    »Das sind Cent statt Dollar«, sagte er. Dann unüberhörbar befriedigt: »Arlette würde im Grab rotieren.«
    Sie hat mehr getan, als bloß darin zu rotieren, dachte ich.
    »Worüber lächelst du, Wilf?«
    »Nichts. Abgesehen von einem Punkt mache ich mir nichts mehr aus diesem Land. Aber ich will verhindern, dass die
gottverdammte Schlachtfabrik von Farrington darauf errichtet wird.«
    »Auch wenn du dabei deine Farm verlierst?« Er nickte, als hätte ich eine Frage gestellt. »Ich weiß, dass du eine Hypothek aufgenommen hast. In einer Kleinstadt gibt’s keine Geheimnisse.«
    »Auch dann«, bestätigte ich. »Nimm mein Angebot an, Harl. Es wäre verrückt, das nicht zu tun. Dieser Bach, den sie mit Blut und Borsten und Schweinedärmen verunreinigen würden … der ist auch dein Bach.«
    »Nein«, sagte er.
    Ich starrte ihn an und war zu verblüfft, um ein Wort herauszubringen. Aber er nickte wieder, als hätte ich eine Frage gestellt.
    »Du glaubst zu wissen, was du mir angetan hast, aber du weißt nicht alles. Sallie hat mich verlassen. Sie ist zu ihrer Familie drunten in McCook gezogen. Sie sagt, dass sie vielleicht zurückkommt, dass sie sich die Sache überlegen will, aber ich glaube nicht, dass sie das tut. Also sitzen wir beide in demselben kaputten alten Boot, nicht wahr? Wir sind zwei Männer, die das Jahr mit Ehefrauen begonnen haben und nun keine mehr haben. Wir sind zwei Männer, die das Jahr mit lebenden Kindern begonnen haben und nun keine mehr haben. Der einzig erkennbare Unterschied ist, dass ich nicht mein halbes Haus und die halbe Scheune eingebüßt habe.« Er dachte darüber nach. »Und dass ich noch beide Hände habe. Das ist immerhin etwas. Beim Wichsen - sollte ich jemals den Drang danach verspüren - könnte ich mir aussuchen, welche Hand ich nehmen will.«
    »Was … wieso ist sie …«
    »Oh, das kannst du dir doch denken! Sie macht nicht nur dich, sondern auch mich für Shannons Tod verantwortlich. Sie sagt, wenn ich mich nicht aufs hohe Ross
gesetzt und Shan fortgeschickt hätte, würde sie noch leben und mit Henry auf deiner Farm gleich nebenan wohnen, statt steif in einer Kiste unter der Erde zu liegen. Sie sagt, dann hätten wir ein Enkelkind. Sie hat mich einen selbstgerechten Dummkopf genannt, und damit hat sie recht.«
    Ich wollte ihm meine verbliebene Hand auf den Arm legen. Er schlug sie weg.
    »Fass mich nicht an, Wilf. Ich warne dich nur einmal!«
    Ich ließ die Hand wieder sinken.
    »Eines weiß ich bestimmt«, sagte er. »Würde ich dein Angebot annehmen, so verlockend es auch ist, würde ich das später bereuen. Weil auf diesem Land ein Fluch liegt. Wir stimmen vielleicht nicht in allem überein, aber ich wette, dass wir uns darin

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