Zwischen Pflicht und Sehnsucht
für Sie in die Waagschale werfen, wenn Sie und mein Mädchen festgestellt hätten, dass Sie zueinander passen. Aber ich will mein Kind nicht auf ein durchgehendes Pferd setzen, wenn Sie verstehen. Ich will nur das Beste für sie.“
„Ich verstehe, Sir.“ Und tatsächlich begriff er den offensichtlichsten Punkt: Sein unsichtbarer Gegner gewann Boden.
„Na, machen Sie sich mal keine Sorgen. Bleiben Sie nur auf dem rechten Pfad, und die Dinge werden sich schon wieder einrenken.“ In einer väterlichen Geste drückte er Charles’ Schulter. „Mein Mädchen findet Gefallen an Ihnen. Wenigstens mag sie Sie so gern, wie sie nur je jemanden gemocht hat. Wenn Sie meine Hilfe brauchen, müssen Sie bloß fragen.“
„Sie sind äußerst großzügig.“ Charles kämpfte darum, nicht bitter zu klingen.
Der Baron machte sich auf die Suche nach seiner Gattin, und Charles kehrte zu Miss Ashford und seiner Mutter zurück. Dort angekommen, fiel es ihm jedoch schwer, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren. Die Ereignisse seines langen und anstrengenden Tages begannen ihren Zoll zu fordern. Es war, als hätte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen. Je mehr Mühe er sich gab, so schien es, desto schwerer wurde seine Bürde.
Plötzlich teilte sich die Menge im Salon. Sein Blick fiel auf Sophie, und das Gewicht seiner Sorgen war wie weggeblasen. Sie war atemberaubend. Ihre glänzenden schwarzen Locken waren kunstvoll hochgesteckt, und die Frisur betonte ihren langen, schlanken Hals. Ihre schimmernde Robe, dunkelblau über einem weißen Unterkleid, hatte denselben Effekt auf ihre Figur. Sie stand bei Mrs. Lowder und einem blonden Herrn, den er noch nie gesehen hatte. Ein Herr, der die Gelegenheit, als sie den Kopf abwandte, nutzte, um einen bewundernden Blick in ihren Ausschnitt zu werfen.
„Ist das Mrs. Lowder dort drüben bei Sophie?“
„In der Tat“, antwortete seine Mutter. „Sieht sie heute Abend nicht himmlisch aus? Ich glaube, das Muttersein tut ihr gut.“
„Ich würde gern mit ihrem Mann sprechen. Wenn Sie mich entschuldigen, ich möchte sie fragen, ob er hier ist.“
Oh, Herr, er war so ein Idiot. Gerade hatte er vierzehn Tage lang versucht, Sophie zu meiden und zu vergessen, wie sie sich in seinen Armen angefühlt hatte. Er hatte sich geschworen, nie mehr in eine solche Lage zu geraten. Soeben hatte er beschlossen, den Abend damit zu verbringen, die Gunst einer anderen Frau zu gewinnen, und war von ihrem Vater gewarnt worden, seine Weste sauber zu halten. Und doch genügte ein Blick auf Sophie, um ihn alle guten Absichten vergessen zu lassen. Er schalt sich den ganzen Weg durch den langen, überfüllten Salon einen verfluchten Narren, aber er blieb nicht stehen.
„Guten Abend“, sagte er, als er sie erreichte.
„Charles! Endlich sind Sie auch da!“ Sophie reichte ihm die Hand. Hörte er Erleichterung aus ihrer Stimme heraus? Und war sie erleichtert, ihn zu sehen, oder erfreut, von ihrem Begleiter abgelenkt zu werden? „Bitte, gestatten Sie mir, Ihnen Mr. Huxley vorzustellen. Mr. Huxley, das ist unser Gastgeber, Viscount Dayle.“ Die Herren begrüßten sich, und Sophie fuhr fort: „Mrs. Lowder kennen Sie ja.“
„Natürlich. Darf ich Ihnen sagen, wie reizend Sie heute Abend aussehen, Madam?“
Mrs. Lowder dankte ihm mit amüsiertem Blick.
„Da hast du’s, Emily, nun bist du Zeuge von Lord Dayles berühmtem Charme geworden!“
Charles bemerkte, dass seine Mutter im Flüsterton mit dem Butler sprach und sich anschickte, den Raum zu verlassen. Er wandte sich an Mrs. Lowder. „Ich erinnere mich, dass Sie hervorragend Klavier spielen. Ich hoffe, Sie werden nach dem Essen für uns spielen, aber jetzt muss ich Ihnen Miss Westby entführen, denn meine Mutter hat um ihre Hilfe gebeten.“
„Natürlich, es wäre mir eine Ehre“, antwortete Emily lächelnd.
„Mr. Huxley, es war großartig, Sie kennenzulernen.“ Charles umfasste Sophies Ellbogen fest und geleitete sie hinaus, bevor sie protestieren konnte. Einen Moment blieb er abwägend im Gang stehen. Während er noch zögerte, entzog sich Sophie seinem Griff.
„Wo ist Ihre Mutter, Lord Dayle?“
„Wahrscheinlich beruhigt sie gerade den Koch.“
„Sie braucht meine Hilfe nicht.“
„Nein, aber ich brauche sie. Wir müssen reden.“
Ah, die Bibliothek. Er schob sie dort hinein und ließ vorsichtshalber die Tür einen Spalt offen.
Sophie sah sich neugierig um und wandte sich dann stirnrunzelnd an ihn. „Wie enttäuschend. Nicht
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